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Aus der Not geboren

11. Juli 2017

Die jetzt beschlossene Doppelvergabe der Olympischen Spiele 2024 und 2028 verschafft dem IOC dringend benötigte Zeit, meint DW-Sportredakteur Stefan Nestler. Doch ohne Reformen frisst Olympia seine eigene Idee auf.

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Symbolbild Olympische Flamme
Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Stavrakis

Die Entscheidung der außerordentlichen Versammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), so historisch sie auch anmutet, ist keine Überraschung. Die IOC-Mitglieder sind es gewöhnt, Vorlagen abzunicken, die von höchster Stelle ausgearbeitet worden sind. Die IOC-Exekutive hatte im Juni für die erste Doppelvergabe Olympischer Spiele seit fast 100 Jahren - 1921 waren die Spiele 1924 an Paris und 1928 an Amsterdam gegangen - plädiert. Und IOC-Präsident Thomas Bach war anschließend nicht müde geworden, die Vorzüge dieser Lösung anzupreisen: Mit Paris und Los Angeles stünden schließlich zwei, so Bach, "herausragende Bewerber aus zwei starken olympischen Ländern" auf der Matte. Diese "goldene Chance" dürfe man sich nicht entgehen lassen.

Kandidaten-Exodus

Mit anderen Worten: Es galt, weder Paris noch Los Angeles zu verprellen. Die Zeiten, in denen die Kandidaten für Olympische Spiele Schlange standen, sind lange vorbei. Für 2024 hatte es zunächst fünf Bewerber gegeben, doch das Feld war auf zwei zusammengeschmolzen. Erst verabschiedete sich Boston, Los Angeles sprang ein. Dann stimmten die Bürger Hamburgs gegen die Ausrichtung der Spiele. Schließlich zogen auch noch Rom und Budapest ihre Kandidaturen wegen mangelnden Rückhalts in der Bevölkerung und auch in der Politik zurück. Einen ähnlichen Exodus hatte es zuvor auch schon beim Bewerbungsverfahren für die Olympischen Winterspiele 2022 gegeben, als von ursprünglich neun Kandidaten ebenfalls nur zwei übrig geblieben waren. Die Alarmglocken schrillten am Sitz des IOC in Lausanne.

Bewerber mit Geld und ohne Skrupel

Auch dem letzten IOC-Funktionär dürfte klar geworden sein: Die immer weiter ausufernden Kosten Olympischer Spiele inklusive Bewerbung sind in demokratischen Staaten kaum bis gar nicht mehr vermittelbar. Die Folge: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass am Ende nur noch Bewerber übrig bleiben, für die Geld keine Rolle spielt, die es aber auch mit demokratischen Werten oder Menschenrechten nicht so genau nehmen. Und auch nicht unbedingt mit den Regeln sportlichen Fair Plays, wie der Dopingskandal rund um die Winterspiele 2014 in Sotschi in Russland gezeigt hat. Solche Negativschlagzeilen fallen letztlich auch auf das IOC zurück.

Schlanke Bewerbungsverfahren

Dass nun mögliche Bewerber für 2028 vier weitere Jahre warten müssen, ist die Kröte, die das IOC und dessen Präsident Thomas Bach getrost schlucken können. Einige Städte und Regionen, wie das deutsche Rhein-Ruhr-Gebiet, hatten zwar vorsichtiges Interesse signalisiert, mehr ist aber noch nicht geschehen. Mit der Doppelvergabe gewinnt das IOC dringend benötigte Zeit. Will man wirklich eines Tages auch Kandidaten etwa aus Afrika eine realistische Chance auf Olympia bieten, gilt es, nicht nur dem Gigantismus der Spiele Einhalt zu gebieten, sondern auch für schlankere Bewerbungsverfahren zu sorgen. Denn die IOC-Oberen wissen: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Sonst frisst Olympia am Ende seine eigene Idee auf.

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DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter