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Politik

PR-Desaster für Schönfärber am Hindukusch

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Florian Weigand
28. Dezember 2016

Eine Kampfjet-Pilotin klagt öffentlich über das Scheitern der Sicherheitskräfte in Afghanistan. Besonders peinlich für das ohnehin männlich dominierte Militär, meint Florian Weigand.

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Afghanistan Armee-Pilotin Niloofar Rahmani
Niloofar Rahmani, Afghanistans einzige Armee-Pilotin Bild: NATO

Eine junge, schöne  Frau aus Afghanistan sitzt im Studio und bittet vor laufender Kamera um Asyl. Ihr Beruf: Soldatin und einzige Pilotin der afghanischen Luftwaffe. Sie erzählt, dass sie wegen ihrer Tätigkeit von den Taliban und sogar von ihrer ferneren Verwandtschaft bedroht werde. Sie sagt, dass die Sicherheitslage jeden Tag schlechter werde und widerspricht damit offen den Darstellungen der eigenen Militärführung und der NATO. Und das mitten in der nachrichtenarmen Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr und in einem der bekanntesten US-amerikanischen TV-Sender und in Interviews mit prominenten Zeitungen. Das PR-Desaster für die professionellen Schönfärber am Hindukusch und in den westlichen Hauptstädten könnte kaum größer sein.

Ikone und Sinnbild

Niloofar Rahmani war bis dahin eine Ikone und ein Sinnbild, wie Afghanistan nach den Vorstellungen des Westens sein sollte. Cool, mit Fliegersonnenbrille und lässig geschlungenem Schal um den Kopf, in einem eng anliegenden Fliegeroverall verkörpert sie das Bild einer Frau, die selbstbewusst den rückwärts gewandten Taliban die Stirn bietet. Und im Land bleibt, allen Gefahren zum Trotz. So schaffte sie es sogar ins Weiße Haus und konnte von der First Lady Michelle Obama den "Preis für mutige Frauen" in Empfang nehmen.

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DW-Redakteur Florian Weigand

So hätten wir es gern am Hindukusch, die Realität sieht aber anders aus. Seitdem die Entwicklungshilfe nach der Taliban-Zeit in Afghanistan wieder Fahrt aufgenommen hat, waren Projekte für mehr Frauenrechte fester Bestandteil in den Programmen zum Wiederaufbau des Landes. Frauen-Fußball, Professorinnen, eine Frauenquote im Parlament, Ministerinnen, Polizistinnen und nun auch eine Kampfpilotin - das alles wurde von vielen männlichen Afghanen bestenfalls als westliche Marotte geduldet in dem Wissen, dass es ohne das keine Aufbauhilfe geben würde, wurde aber auch oft belächelt und im Verborgenen bekämpft. Sei es durch sozialen Druck oder offene Drohungen. Gleichberechtigung der Geschlechter, auch hierzulande ein langwieriger Prozess, hat in Afghanistan noch keine Wurzeln gefasst.

Abtauchen im Ausland

Vor diesem Hintergrund ist es für das ohnehin männlich dominierte Militär besonders peinlich, von einer jungen Frau vorgeführt zu werden. Und das in mehrfacher Hinsicht: Da widerspricht nicht nur eine Frau den Statements ihrer männlichen Vorgesetzten, da spricht auch ein Militärangehöriger und Offizier öffentlich über das Scheitern der Sicherheitskräfte. Und mit ihrer Bitte um Asyl wirft sie zudem ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die schon lange an der Einsatzkraft der afghanischen Armee nagt. Nicht zum ersten Mal wollen Soldaten von Trainingseinheiten im Ausland nicht mehr zurück nach Afghanistan. Allein in den USA waren 45 Soldaten in den vergangenen zwei Jahren aus Trainingsprogrammen abgetaucht. Im Jahr 2014 hatte ein Offizier, der eigentlich am NATO-Gipfel in Wales teilnehmen sollte, gleich bei seiner Ankunft um Asyl gebeten. In Afghanistan selbst verloren die afghanischen Sicherheitskräfte im Jahr 2015 monatlich bis zu 4000 Soldaten und Polizisten, die meisten davon nicht durch Kämpfe, sondern einfach weil sie desertierten.

Man kann mit Niloofar Rahmani nur Mitleid haben. Wenn sie auf öffentliche Unterstützung aus den USA hofft, mag sie sich verschätzt haben. Ihr Wert als Vorzeige-Afghanin dürfte in den vergangenen Tagen tief in den Keller gesunken sein. Wenn sogar eine Ikone von ihrem Kaliber nicht mehr kämpfen will, und damit - aus Militärsicht - offen die Moral untergräbt, wie soll die Politik dann den Einsatz der eigenen (US-)Soldaten am Hindukusch rechtfertigen? Kann man dann in Zukunft noch eigene Soldaten zur Rechenschaft ziehen, wenn sie von der Fahne gehen?

Schon jetzt ist spürbar, dass nach einem gesichtswahrenden Ausweg für Kabul und Washington gesucht wird. Wie aus dem Nichts spricht die Pilotin plötzlich von einem Missverständnis, und dass sie weiter Afghanistan dienen möchte. Das afghanische Verteidigungsministerium nennt das bereits eine "gute Entscheidung", obwohl die Anwältin der Soldatin immer noch bekräftigt, dass der Asylantrag weiter besteht.

Sollte Niloofar Rahmani aber wirklich zurückkehren, ist sie in höchster Gefahr. Sie hat das Militär düpiert und - nach allgemeiner afghanischer Lesart - mit ihren Anschuldigungen gegen die Verwandtschaft auch die Familie in Misskredit gebracht.

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