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Kommentar: Russland als Juniorpartner Chinas?

9. August 2007

Im Rahmen der Schanghai-Organisation haben China, Russland und zentralasiatische Staaten mit gemeinsamen Manövern begonnen. Was sagt der Ablauf der Manöver über die Machtverhältnisse innerhalb der Organisation aus?

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Bild: DW

Erstmals nehmen an einem Manöver der Schanghai-Organisation (SCO) Truppenkontingente aller SCO-Mitgliedsstaaten – China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan - teil. Zudem ist es mit rund 6500 Soldaten und 80 Flugzeugen das bislang größte Manöver in der sechsjährigen Geschichte der SCO.

Von besonderer Bedeutung ist, dass die Übung sowohl im Gebiet Tscheljabinsk im russischen Wolga-Ural-Militärbezirk stattfindet als auch in Urumqi, der Hauptstadt des Uigurischen Autonomen Gebietes Xinjiang in der Volksrepublik China. Im Gebiet Tscheljabinsk wird das Manöver auch unter den Augen aller sechs Staatspräsidenten der SCO-Staaten enden.

Die rund 1700 chinesischen Soldaten werden dabei teils in Flugzeugen, teils mit der Eisenbahn nach Russland transportiert. Nach chinesischen Angaben ist es das bislang größte Kontingent an chinesischen Soldaten und Waffen, das in so weiter Entfernung von China an einem Manöver teilnehmen wird.

Chinas wunde Punkte

Dass Peking die erste Geige in der SCO spielt, wird an den Szenarien der SCO-Militärübungen deutlich: Die chinesische Führung hatte vor zwei Jahren den Kreml dazu gebracht, bei dem gemeinsamen russisch-chinesischen Manöver "Friedensmission 2005" eine groß angelegte Landungsoperation an der chinesischen Küste des Gelben Meeres zu trainieren. Die Analogie zu den chinesischen Drohungen gegen Taiwan, einem der wunden Punkte in der chinesischen Politik, war damals überdeutlich.

In diesem Jahr beginnt nun die anti-terroristisch genannte Militärübung in der chinesischen Provinz der muslimischen Uiguren, die seit Jahren nach größerer Freiheit und Unabhängigkeit vom chinesischen Zentralstaat streben – einem zweiten wunden Punkt der chinesischen Politik. Wie vor zwei Jahren stehen also erneut nicht russische, sondern in erster Linie chinesische Planspiele im Zentrum der SCO-Manöver. Russland passt sich voll und ganz den chinesischen Wünschen an.

Wer wird Vormacht in Zentralasien?

Das Manöver ist eines der vielen kleinen strategischen Schritte Chinas auf dem Weg zur führenden Großmacht in Asien in den kommenden Jahrzehnten. Russland scheint dagegen in seiner Politik Strategie mit Taktik zu verwechseln, denn Moskau will durch eine engere politische und militärische Kooperation mit China vor allem den amerikanischen Einfluss in Zentralasien kurzfristig begrenzen.

Dieser Überlegung liegt der Gedanke zugrunde, dass die USA und Europa die vermeintlich größten Rivalen Russlands seien, vor allem angesichts der transatlantischen Kritik an der inneren Entwicklung in Russland. Dabei übersieht der Kreml, dass nicht die USA langfristig in Eurasien die wichtigste Vormacht werden, sondern eben das bevölkerungsreiche und boomende China. Dann erhält Russland bestenfalls die Rolle eines chinesischen Juniorpartners.

Ingo Mannteufel

DW-WORLD.DE/russisch, 6.8.2007, Fokus Ost-Südost