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Kommentar: Schlechte Karten für Damaskus

Peter Philipp21. Oktober 2005

Syrien ist nach einem UN-Bericht an der Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri beteiligt gewesen. Das Ergebnis hat weit reichende Folgen, meint Peter Philipp.

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Seit der Ermordung ihres früheren Regierungschefs Rafik Hariri hatten die Libanesen es gemutmaßt, nun haben sie es amtlich: Syrien war in den Mordanschlag verwickelt. Diese Feststellung jedenfalls darf als Essenz des Untersuchungsberichts gesehen werden, den der Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis am Donnerstag (20.10.05) UN-Generalsekretär Kofi Annan übergab.

Mehlis hatte im Auftrag der Vereinten Nationen die Hintergründe des Mordanschlages zu erhellen versucht, bei dem am 14. Februar 2005 Hariri und 20 weitere Personen getötet worden waren. Der Befund: Syrische und libanesische Stellen haben bei der Tat eng zusammen gearbeitet.

Das Untersuchungsergebnis könnte weit reichende Folgen haben. Einmal für den Libanon: Bereits im August 2005 wurden die vier ranghöchsten Geheimdienst-Generäle unter dem Verdacht festgenommen, in den Anschlag verwickelt zu sein. Wie es jetzt aussieht, bestätigt der Bericht diesen Verdacht.

Wer sind die Drahtzieher?

Die Männer werden nicht alleine gehandelt haben, sondern in Zusammenarbeit mit pro-syrischen Gruppen und Personen im Libanon. Jenen Marionetten, die Damaskus über die Jahrzehnte immer wieder aktivieren konnte, um die Geschicke des Nachbarlandes zu bestimmen, das es doch nie als eigenständigen Staat betrachtet hatte, sondern als eigentliche "großsyrische Westprovinz".

30 Jahre lang nahm Syrien direkten Einfluss im Libanon: Es bestimmte und manipulierte nach Gutdünken. Es beeinflusste Wahlen, drückte die einen Politiker durch, während es andere verhinderte - bis in die höchste Spitze des Staates: Um den Syrien-treuen Präsidenten Emile Lahoud im Amt zu halten, setzte Damaskus gar eine Verfassungsänderung durch.

Nach der Aufdeckung dieser Querverbindungen dürfte die Luft für prosyrische Elemente im Libanon dünn werden - oder aber sie schlagen zurück. Grund genug für die Regierung jetzt einen halboffiziellen Ausnahmezustand zu erklären und Militär in den Straßen patrouillieren zu lassen.

Konsequenzen für die Verantwortlichen

Auch für Syrien wird der Untersuchungsbericht Auswirkungen ungeahnten Ausmaßes haben. Trotz aller bisherigen Dementis selbst durch Präsident Bashar el Assad muss man nun auf den Befund der Mehlis-Untersuchung reagieren. Und man weiß, dass man dabei schlechte Karten hat: Washington und Paris fordern seit langem Konsequenzen für den Fall einer syrischen Verwicklung und dem steht nun kaum noch etwas im Wege. Zumal Damaskus sich auch in zwei anderen Fragen unbeliebt gemacht hat: Es hält seine Grenze zum Irak offen für bewaffnete Elemente und es unterstützt radikale palästinensische Gruppen, die einer Friedensregelung mit Israel widersetzt sind.

Aus dieser Klemme wird Präsident Assad sich nur befreien können, wenn er jetzt konsequent handelt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht. Und dabei wird es nicht genügen, die Verantwortung auf den kürzlich unter mysteriösen Umständen umgekommenen Innenminister Ghazi Kanaan abzuwälzen, der 22 Jahre lang für die syrische Politik im Libanon verantwortlich war. Kanaan war möglicherweise überhaupt nicht in den Hariri-Mord verwickelt, dafür aber ein Bruder und ein Schwager des Präsidenten. Bashar el Assad wird viel Mut und Stärke brauchen, sich diesen Verwandten gegenüber durchzusetzen.