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Politik

Sich nicht zu Komplizen der Terroristen machen!

Diana Hodali
10. Februar 2015

Wer Videos und Bilder von Hinrichtungen der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Sozialen Netzwerken teilt oder diese als Medienbetrieb veröffentlicht, wird zum Handlanger der Terroristen, meint Diana Hodali.

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Fahne des sogenannten Islamischen Staates - Foto: Xinhua
Bild: Imago/Xinhua

Seit Monaten hält die Terrororganisation IS die Welt in Atem. Der selbst ernannte "Islamische Staat" spielt ein Spiel aus Prahlerei und Provokation, verhandelt über den Austausch von Gefangenen, als sei er bereits ein anerkannter, echter Staat. Bilder und Videos brutalster Morde an IS-Geiseln zirkulieren in den Sozialen Netzwerken. Immer wieder gibt es Aufrufe, das Material nicht zu teilen, um sich nicht zum Handlanger der Terroristen zu machen. Doch viele User scheint das nicht zu kümmern. Oder sie verbreiten die Aufnahmen der grausamen Morde deshalb weiter, weil sie das Gefühl haben, dass sonst niemand glaubt, wie barbarisch der IS ist. Aber stellt wirklich noch irgendjemand infrage, dass die Terrormiliz Albträume wahr werden lässt? Sollte man sich das Material deshalb anschauen? Nein. Ganz sicher nicht.

Die Medien stehen vor einem ähnlichen Dilemma. Die Videos im Netz zu wissen, stellt viele Journalisten vor die Frage: Zeigen auch wir es oder nicht? Denn alleine die Scheußlichkeit dieser Verbrechen macht sie doch berichtenswert, oder? Der Umgang mit den barbarischen Videos ist unterschiedlich. Während zum Beispiel der rechts-konservative US-Nachrichtensender Fox-News das komplette Video der Verbrennung des jordanischen Piloten Muas al-Kasasba auf seine Website gestellt hat, entschied sich CNN dagegen. Deutsche TV-Sender zeigen das Video-Material gar nicht. Youtube bemüht sich, hochgeladene Videos von Exekutionen so schnell es geht zu löschen. Das nützt nur dann nichts, wenn IS-Anhänger, wie im Fall Kasasba, im Netz den Link zur Mediathek von Fox-News teilen und sich über die mediale Aufmerksamkeit freuen. Aus dem verhassten Westen wohlgemerkt.

Auch der Mittelweg hilft dem IS

Die meisten Medien gehen allerdings den Mittelweg und veröffentlichen Standbilder aus den Videos. Auch in Deutschland. Irgendwie empfinden viele den Drang, die Vorgehensweise des so genannten "Islamischen Staates" für die Öffentlichkeit zu dokumentieren. Oft mit dem Hinweis, man wolle zeigen, wie brutal und schrecklich der IS ist. Doch dadurch konnte die Terrororganisation ihre Botschaften und Symbole problemlos in der Welt verbreiten. Wer kennt sie mittlerweile nicht, die Bilder von maskierten Henkern, von den im orangefarbenen Overall gekleideten Geiseln, von der schwarzen Flagge? Jeder Sender, jede Zeitung, jedes Online-Portal, das sich dazu entscheidet, vom IS eigens gedrehtes und produziertes Material zu veröffentlichen, macht sich gleichzeitig auch ungewollt zum Komplizen der psychologischen Kriegsführung der Terroristen.

DW-Nahost-Autorin Diana Hodali - Foto: DW
DW-Redakteurin Diana HodaliBild: DW

Denn durch das Veröffentlichen des IS-Video- und Bildmaterials helfen Medien den Terroristen dabei, sich so darzustellen, wie sie selbst gesehen werden wollen. Es geht dem IS nicht darum, die Herzen der Öffentlichkeit zu gewinnen. Der IS will Macht demonstrieren. Der IS will einschüchtern - und zwar insbesondere die irakischen Sicherheitskräfte, und jeden, der auch nur daran denkt, gegen den "Islamischen Staat" in den Kampf zu ziehen. Der IS will den Willen seiner Gegner brechen: "Schaut her, das passiert mit euch, wenn ihr euch uns nähert", könnte man die Botschaft der Terroristen zusammenfassen. Und sie zieht. Weniger als 3000 IS-Kämpfern gelang es im vergangenen Jahr, ungehindert die irakische Stadt Mossul einzunehmen. Drei irakische Divisionen hatten alles stehen und liegen lassen und waren geflüchtet. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten als Reaktion auf den ermordeten jordanischen Piloten kurzzeitig ihre Luftangriffe auf Stellungen des IS eingestellt.

Neue redaktionelle Richtlinien nötig

Darüber hinaus entfremdet die Veröffentlichung von IS-Material muslimische Gemeinden, besonders im Westen, ihren jeweiligen Gesellschaften. Und was Entfremdung in einer Gesellschaft anrichten kann, sieht man - unter anderem - auch an den vielen Kämpfern, die aus Deutschland in den Irak oder Syrien zum IS gezogen sind. Sicherlich ein extremes Szenario. Aber leider nicht unrealistisch.

Der IS hat durch seine perfektionierte Medien- und PR-Strategie bereits Schlachten gewonnen, ohne dafür in den Kampf zu ziehen. Besonders im Westen haben viele Medien die Professionalität der Öffentlichkeitsarbeit des IS unterschätzt: Die Terroristen sind bestens ausgerüstet, haben Autoren, Redakteure und Kameramänner. Und der IS hat verstanden, wie Medien in freien Gesellschaften funktionieren - stets auf der Suche nach der nächsten spektakulären Geschichte. Der IS und ähnliche Gruppen zwingen die Medienwelt, neue redaktionelle Grundsätze zu formulieren - damit wirklich keiner mehr ihre Bilder und Videos veröffentlicht. Es ist höchste Zeit!