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Politik

Sinneswandel oder Lippenbekenntnis?

Tim Aßmann Kommentarbild App PROVISORISCH
Tim Aßmann
3. Mai 2017

Die im Gaza-Streifen regierende Hamas hat ein neues Grundsatzprogramm vorgelegt. Darin fehlt zwar der Aufruf zur Vernichtung Israels, an anderen radikalen Positionen halten die Islamisten aber fest, meint Tim Aßmann.

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Gaza-Stadt Hamas Kämpfer
Bild: Reuters/M. Salem

Im Sommer wird die Hamas feiern, soviel ist sicher. Zehn Jahre ist es dann her, dass die radikalislamische Bewegung den innerpalästinensischen Bruderkampf im Gaza-Streifen gewann und die Fatah vertrieb. Anlässlich des Jubiläums werden die Hamas-Milizen mit den grünen Stirnbändern im Stechschritt durch Gaza-Stadt marschieren, die Anhänger werden Fahnen schwenken und die Funktionäre Sonntagsreden halten. Hamas wird feiern, wo es nichts zu feiern gibt.

Die nun vorgestellte neue politische Charta der Bewegung gibt Aufschluss darüber, wie es tatsächlich um sie steht. Die Hamas ist politisch weitgehend isoliert und ihr Herrschaftsgebiet ein Armenhaus. Die Bewegung, die einst mit sozialem Engagement bei den Palästinensern punktete und die Wahlen 2006 auch deshalb gewann, weil sie als Alternative zur hoch korrupten Fatah gesehen wurde, ist dort, wo sie die politische Verantwortung trägt, kläglich gescheitert.

Vetternwirtschaft wie bei Fatah

Die Lebensbedingungen im Gaza-Streifen sind katastrophal, und die Hamas-Funktionäre haben bewiesen, dass sie der Fatah in Sachen Vetternwirtschaft in nichts nachstehen. Zehn Jahre Hamas-Herrschaft haben den Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen drei Kriege mit Israel und totale Perspektivlosigkeit gebracht. Außerdem zahlt die Bevölkerung den Preis dafür, dass sich Hamas und die Fatah von Palästinenserpräsident Abbas nicht einigen können: Die Autonomiebehörde von Abbas hat Zahlungen für Gaza eingefroren. Die Folge sind ausbleibende Löhne und Strommangel.

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Tim Aßmann ist Korrespondent im ARD-Studio in Tel AvivBild: BR/Foto Sessner

Das ist die Ausgangslage für ein fünfseitiges dürres Grundsatzprogramm, an dem die Hamas-Führung nach eigenen Angaben vier Jahre lang gebastelt hat. Mit einem jämmerlichen Ergebnis: Hamas gibt sich in der Wortwahl zwar moderater, aber ohne wesentliche Positionsänderung. Dass die Organisation bereit ist, einen palästinensischen Staat in den Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 zu akzeptieren, ist zwar ein neuer Standpunkt. Gleichzeitig hält die Hamas aber an der Befreiung des gesamten palästinensischen Gebietes fest - also auch dem Land, das israelisches Staatsgebiet ist.

Die Zerstörung Israels steht zwar nicht mehr explizit in der neuen Charta, das Existenzrecht des Landes wird aber auch nicht anerkannt. Und Hamas schwört dem bewaffneten Kampf auch nicht ab. Kein Wunder, dass dieses Grundsatzprogramm nicht als Sinneswandel verstanden wird. Hamas will raus aus der politischen Isolation, in die sie sich selber manövriert hat, will nicht länger Zuschauer sein, wenn andere über die Zukunft der Palästinenser verhandeln, wie nun Mahmud Abbas mit Donald Trump am Mittwoch in Washington.

Zeichen der Verzweiflung

Die politische Verzweiflung der Hamas-Führung wird auch daran deutlich, dass sich die Gruppe mit der neuen Charta von ihren Wurzeln in der ägyptischen Muslimbrüderschaft löst. So will die Hamas-Führung ein Signal an die Regierung in Kairo senden, die den Gaza-Streifen weiter strikt abgeriegelt hält.

Dass die Charta alleine der Hamas auf der politischen Bühne irgendetwas bringt darf bezweifelt werden - die Bewegung wird an ihren Taten gemessen werden. Die Botschaft zwischen den Zeilen des Grundsatzprogrammes aber lautet: Hamas steht mit dem Rücken zur Wand. Die Zeit könnte also günstig sein, um mit internationalem Druck eine Einigung zwischen den rivalisierenden Palästinensergruppen zu erreichen.

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