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Kommentar: Symbolische Geste mit Gehalt

17. Februar 2012

Die UN-Vollversammlung hat die Gewaltanwendung in Syrien verurteilt. Auch wenn von der Resolution nur eine symbolische Wirkung ausgeht, liegt in dem Votum eine Chance, meint Daniel Scheschkewitz.

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Symbolbild Kommentar Deutsch

Nach dem Veto von Russland und China gegen eine Syrien-Resolution im Sicherheitsrat ist nun die UN-Vollversammlung eingesprungen und hat die brutale Repression des Assad-Regimes verurteilt. Sie hat dies mit überwältigender Mehrheit getan. Neben Russland und China stimmten lediglich solche Länder gegen die Resolution, deren eigenes Demokratiedefizit ganz offensichtlich ist. Darunter die letzten Diktaturen dieser Welt: Länder wie Weißrussland, Nordkorea, Zimbabwe oder Kuba. Und natürlich Syrien selbst. Alle anderen, insgesamt 137 Nationen dieser Welt, stützen den Plan der Arabischen Liga, ein deutlicheres Votum ist kaum denkbar.

Votum der Weltgemeinschaft

Die Resolution beinhaltet einen Plan, der nun das offizielle Siegel der Vereinten Nationen trägt. Auch wenn von ihr, anders als von einer vergleichbaren Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, keinerlei bindende Wirkung ausgeht, ist diese Resolution von hoher Symbolkraft. Denn in der  UN-Vollversammlung gibt es kein Vetorecht, es gilt das urdemokratische Prinzip "Ein Staat, eine Stimme". Die Verurteilung des syrischen Regimes basiert damit auf einem breiten Konsens der internationalen Staatengemeinschaft. Sie hat daher ein hohes moralisches Gewicht.

DW-Redakteur Daniel Scheschkewitz
DW-Redakteur Daniel ScheschkewitzBild: DW

Es ist das lang erhoffte Signal an das syrische Volk, dass es in seiner Not und Verzweifelung von der Weltgemeinschaft zumindest nicht ignoriert wird. Die Resolution erhöht zudem den Druck auf die Vetomächte Russland und China, die sich nun fragen müssen, wie lange sie noch dem klaren Votum der Weltgemeinschaft entgegenstehen wollen. Eine Konsequenz ihrer fortgesetzten Blockadepolitik läge nunmehr nämlich im weiteren Verlust ihrer internationalen Legitimität als Vetomächte.

Druck auf Vetomächte wächst

Schlussendlich wird man in Peking und Moskau auch einsehen müssen, dass eine solche Politik auch im Widerspruch zu den ureigensten Interessen Russlands und Chinas im Nahen Osten steht. Wollen sich beide Länder ihren Einfluss in der Region bewahren, müssen auch sie den politischen Umbruch in Syrien in konstruktive Bahnen lenken. So hat sich inzwischen nicht nur Russlands Außenminister Lawrow als Vermittler zwischen Assad und der Opposition angeboten, auch der stellvertretende chinesische Außenminister Zhai ist zu Gesprächen mit der syrischen Führung nach Damaskus gereist. Erste Anzeichen eines Sinneswandels? Beide Vetomächte werden Assad wohl zumindest stärker unter Druck setzen, wenigstens einen Teil seiner Macht abzugeben, damit sich Moskau und Peking - so das diplomatische Kalkül – im Nachhinein doch noch als Friedenstifter präsentieren können.

Geordneter Machttransfer statt Chaos

Ein partieller Machtverzicht Assads ist dennoch keine Option. Dazu klebt an seinen Händen bereits zuviel Blut. Die jetzt verabschiedete Resolution hat ihre Bedeutung auch deshalb, weil sie einen klaren Plan enthält, der die syrische Opposition in ihrem Kurs bestärkt. Assad muss seine Macht sofort an seinen Vizepräsidenten übergeben. Außerdem soll eine Einheitsregierung innerhalb von  zwei Monaten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vorbereiten, die unter internationaler Beobachtung stehen sollen. Diese klare Kursbestimmung ist umso wichtiger, weil Syrien zuletzt durch das willkürliche Vorgehen von Bombenlegern in eine Gewaltspirale geraten ist, die es in einen permanenten Bürgerkrieg zu stürzen droht.

Dschihadisten in Wartestellung

Die Nutznießer könnten Dschihadisten aus dem weiteren Umfeld des Al-Kaida-Netzwerkes sein, deren Ziel es ist, in Syrien ähnliche Zustände herbeizuführen wie im Irak nach der US-Invasion. Baschar al-Assad setzt bereits seit einiger Zeit auf diese Karte, um den Westen zu verunsichern. Dazu passt auch, dass vor Kurzem mit Abu Musab al-Suri einer der einflussreichsten Ideologen des internationalen Dschihadismus aus einem  syrischen Gefängnis entlassen worden ist. Er gilt als einer der geistigen Wegbereiter der Al-Kaida-Terrorstrategie. Seine Freilassung, für die es keine offizielle Bestätigung gibt, dürfte Assad nicht umsonst gerade jetzt veranlasst haben. Ein Versinken Syriens in einen totalen Bürgerkrieg, so wird dem Westen suggeriert, könnte letztendlich dazu führen, dass künftig statt dem säkularen Alleinherrscher Assad Al-Kaida-Sympathisanten die Geschicke Syriens mit bestimmen. Noch ist eine solche Entwicklung keineswegs vorherbestimmt. Sie könnte aber durchaus eintreten, wenn der Aufstand in Syrien nicht endlich in geordnete Bahnen gelenkt wird. Mit der jetzt verabschiedeten Resolution hat die Weltgemeinschaft nicht nur ein moralisches Zeichen gesetzt, sondern auch einen realistischen Zukunftsplan aufgestellt. Auch in Moskau und Peking sollte man die Chance, die darin liegt, endlich erkennen. Dann könnte aus einem starken Appell sogar eine Blaupause für den Wandel in Syrien werden.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Daphne Grathwohl