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Szenen einer verkrachten Ehe

31. Mai 2016

Der Streit zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer, den Parteivorsitzenden von CDU und CSU, findet kein Ende. Mittlerweile schadet er der Arbeitsfähigkeit der Großen Koalition, meint Christoph Strack.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Es ist nicht mehr schön. Deutschland steht wirtschaftspolitisch erfolgreich da, ihm wächst außenpolitisch neue Bedeutung zu. Alle Welt, nicht nur die europäischen Nachbarn schauen staunend, bewundernd, kritisch, wütend auf dieses Land. Und die Union aus CDU und CSU ….? Zerlegt sich.

"Irgendwann hoffen wir, dass ein Gewitter das ganze wieder entlädt und alles wieder frisch macht." Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, meint an diesem Dienstag wohl auch das schwüle, anstrengende Berliner Wetter. Gewitter liegt in der Luft, Spannung ist schier zu greifen. Aber im Zuhören denkt man intuitiv: Ja, Seehofer, Merkel, ihr endloser Krach. Und es schwingt Respekt und Besorgnis mit, wenn hier oder da - eigentlich zur Beruhigung im Hier und Jetzt - auf die tiefe Kluft zwischen Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß hingewiesen wird.

Christoph Strack (Foto: DW)
Christoph Strack, DW-Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW

Tiefe Gräben zwischen Merkel und Seehofer

Da prallen zwei grundverschiedene Charaktere, nein, eher Typen aufeinander. Angela Merkel, die Kanzlerin, die Naturwissenschaftlerin, die zumindest nicht offen nachkartet, in ihrer politischen Versuchsanordnung stets nach vorne schaut und damit - sei es im Ukraine-Konflikt, im Euro-Schock oder in der Flüchtlings-Krise – nach Lösungswegen strebt. Stoisch, strategisch. Horst Seehofer, der patriarchale Landesvater, als Politiker ein ziemlich begnadeter Instinkt-Mensch, ein politischer Borderliner. Die ostdeutsche Protestantin, der westdeutsche bayerische Katholik - leben und leben lassen.

Aber die für die Union oft gesunde Spannung scheint gekippt. Wer Seehofers Auftritte, sein Nebeneinander mit oder Gegeneinander zu Merkel bei den Parteitagen der C-Parteien im Herbst 2015 miterlebt hat, bekam damals den Vorgeschmack. Sein Wort, am Ende habe sich die CSU noch immer durchgesetzt, lässt ein Bierzelt und auch einen CSU-Parteitag scheppern, aber scheint Merkel nur anzuspornen. Sie ließ ihrerseits den Bayern, als er mit medialem Popanz einen Brandbrief an die CDU-Chefin und Kanzlerin schickte, warten. Wochen, Monate. Die Raute zeigen, abwarten. Auch so kann man deutlich machen, wer Köchin und wer Kellner ist.

Dauerhaft im Krisen-Modus

Allmählich ist es schwer erträglich, was sich da abspielt. Szenen einer Ehe, einer verkrachten Ehe. Man möchte den beiden aus dem Sternzeichen Krebs ("Grenzgänger", sagt die einschlägige Literatur) eine Paartherapie empfehlen. An diesem Dienstagabend trafen sich die beiden zum kleinen Krisengespräch, am Mittwoch und Donnerstag begegnen sie einander wieder. Schwer zu sagen und kaum zu erwarten, dass es danach, wie nach einem Gewitter, frische Luft gibt. Deutschland lernt dieser Tage auch, dass auf ein ordentliches Gewitter leicht noch mal ein schlimmeres Gewitter folgen kann.

Der Konflikt beeinträchtigt längst die Arbeit der sogenannten Großen Koalition. Denn CSU und SPD nutzen diverse Themen, um einen Konflikt auszutragen, weil - so scheint es - sie auf Konflikt getrimmt sind. Auf einen Konflikt, den sie an Merkel nicht abarbeiten können. Es wird so beherzt gestritten, dass die Medien ihren Spaß haben - und das irrlichternde Agieren der AfD plätschern lassen. Das Erstarken der Rechtspopulisten ist eben auch Ausdruck der Schwäche der Großen, ihres Streits.

Worum ging es noch mal? Ach ja, um die Flüchtlingspolitik.