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Kommentar: Terror gegen Christen

3. Januar 2011

Der Terroranschlag auf eine Kirche in Ägypten ist weltweit mit Empörung aufgenommen worden - auch von muslimischer Seite. Bei Verurteilungen darf es jedoch nicht bleiben, meint Rainer Sollich.

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Von muslimischer Seite kamen durchaus klare Worte: Nicht nur die ranghöchsten staatstreuen Imame in Ägypten verurteilten den Anschlag auf die koptische Gemeinde. Auch die oppositionellen Muslimbrüder distanzierten sich von dem Terrorakt, ebenso wie der oberste religiöse Würdenträger Saudi-Arabiens und zahlreiche arabische Politiker.

Bemerkenswert ist, dass auch die Vertreter der Muslime in Deutschland sehr deutlich Position bezogen: "Wer Menschen so hinterhältig und grausam Schaden zufügt, kann sich auf keine Religion oder andere Weltanschauung berufen", hieß es unmissverständlich von Seiten des Koordinationsrats der Muslime. Ein wichtiges Signal gegen Gewalt und für Solidarität zwischen Christen und Muslimen - zumal sich auch die koptische Exilgemeinde in Deutschland vor Anschlägen fürchtet und dabei immerhin auf Polizeiquellen beruft.

Christen besser schützen

Rainer Sollich, Leiter des Arabischen Programms der Deutschen Welle. (Foto: DW)
Rainer Sollich, Leiter des Arabischen Programms der Deutschen WelleBild: DW

Es ist ärgerlich, dass einige deutsche Politiker dieses Signal offenbar übersehen haben und die Muslime nun zu etwas auffordern, was diese schon längst getan haben. Völlig berechtigt sind jedoch die Forderungen aus Deutschland und anderen westlichen Ländern nach einem besseren Schutz der Christen im Nahen Osten.

Die Situation der christlichen Minderheiten in so unterschiedlichen Ländern und Systemen wie Ägypten, Irak und den Palästinensergebieten ist zwar schwer miteinander vergleichbar. Aber das Christentum ist allerorten auf dem Rückzug und - wie viele andere Minderheiten in der Region - langfristig durchaus in seiner Existenz bedroht. Maßnahmen, dieser Entwicklung entschieden entgegenzutreten, sucht man in der Region vergeblich.

Arabische Christen werden oft benachteiligt

Dass in einem Land wie Saudi-Arabien allein schon der Besitz einer Bibel strafbar ist, ist keineswegs akzeptabel und auch keineswegs ein theoretisches Problem, sondern eine Diskriminierung der dort lebenden Gastarbeiter aus christlichen Ländern. Die alteingesessenen Christen in Ägypten und anderen arabischen Ländern leiden zwar nicht unter einer derart grundlegenden Diskriminierung. Von den herrschenden Eliten werden sie jedoch faktisch oftmals im Kleinen benachteiligt und nicht ausreichend vor Übergriffen fanatischer Gewalttäter geschützt. Besonders dramatisch ist dies im Irak, wo seit dem Sturz Saddam Husseins ein Großteil der Christen fliehen musste oder vertrieben wurde. Aber auch in Ägypten ist jetzt der gefährliche Vorwurf zu hören, der Staat nehme den Schutz westlicher Pyramiden- und Badestrand-Besucher offenbar ernster als den seiner christlichen Bürger.

Extremismus keine Chance geben

Ausreichende Sicherheitsvorkehrungen für bedrohte Minderheiten sind im Ernstfall überall auf der Welt nötig. Minderheiten verdienen stets besonderen staatlichen Schutz, unabhängig davon, ob es um Christen, Muslime oder andere Konfessionen geht. Sicherheitsmaßnahmen sind aber kein Allheilmittel. Viel wichtiger ist, dass Regierungen sowie gesellschaftliche Eliten - und nicht zuletzt die Medien - sich gemeinsam für ein Klima einsetzen, in dem Extremisten keine Chance haben, mit gezielten Terroranschlägen Angst und Instabilität zu verbreiten und die Menschen nach religiösen oder ethnischen Gesichtspunkten auseinanderzudividieren.

Denn genau das ist ihr Ziel. Und in Ägypten sind sie diesem Ziel jetzt gefährlich nahe gekommen.

Autor: Rainer Sollich

Redaktion: Nader Alsarras / Katrin Ogunsade