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Trump, Assad und das Völkerrecht

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
15. April 2017

Der US-Angriff auf eine Luftbasis des Assad-Regimes war ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Darum ist er zu verurteilen, meint Kersten Knipp. Denn nähme man ihn hin, wäre dies der Auftakt zu noch weit größerem Unrecht.

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Syrien Luftwaffenstützpunkt Shairat nach US-Angriff
Bild: picture-alliance/Sputnik/M. Voskresenskiy

Fassbomben, Folterkeller und mutmaßlich auch Giftgas: Seit Jahren versündigt sich das Assad-Regime an der Bevölkerung, hat sich schwerster Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Es ist schwer erträglich, dass es nach über sechs Jahren enthemmter Gewaltausübung immer noch an der Macht ist.

Noch bedrückender ist, dass ihm mit den Mitteln des Völkerrechts nicht beizukommen ist, wie sich nach dem Angriff, den US-Präsident Trump auf einen Luftwaffenstützpunkt des Regimes befahl, einmal mehr herausstellte. Die große Mehrheit anerkannter Völkerrechtler hält diesen Angriff für einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Moralisch mag der US-Angriff nachvollziehbar sein - völkerrechtlich gedeckt ist er nicht.

Die Frage ist dann aber: Wozu dient, wem nutzt das Völkerrecht? Wenn es nicht verhindern kann, dass ein Potentat ungesühnt Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung begeht: Steht ein solches Recht dann nicht zynischem Missbrauch offen? Deckt es diesen vielleicht sogar?

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DW-Autor Kersten Knipp

Die Unvollkommenheit des Rechts

Das Problem des Völkerrechts, wie jedes anderen Rechts auch, ist seine grundsätzliche, nicht aufhebbare Unvollkommenheit. Das Völkerrecht ist Ergebnis juristischer Arrangements auf internationaler Ebene, Produkt zahlreicher, stets erneuerter Absprachen und Vereinbarungen. Es basiert auf den Übereinkünften jener, die sich an den Aushandlungs- und Verrechtlichungs-Prozessen beteiligen. Das heißt auch: In das Völkerrecht fließen ganz unterschiedliche, teils konträre Vorstellungen ein. "So ist ein normatives Netz entstanden, das an manchen Stellen doppelt und dreifach verstärkt ist, an anderen Stellen aber große Löcher aufweist", beschreibt Angelika Nußberger, Juristin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, das Dilemma.

Trotz seiner nie gänzlich auszuräumenden Schwächen hat das Völkerrecht aber Großes geleistet: Abgesehen von schmerzhaften Ausnahmen hat es ganz entscheidend dazu beigetragen, dass das Recht des Stärkeren überwunden wurde. An dessen Stelle ist die allgemeine Übereinkunft getreten, dass Konflikte rechtlich, in Anerkennung gemeinsamer Normen geregelt werden. Daran halten sich die meisten Staaten. Nur die wenigsten wollen noch offen als Verächter des Rechts gesehen werden. Zu denen, die darauf keinen Wert legen, gehört das Assad-Regime in Damaskus.

Aushöhlung der Norm

Dennoch wäre es richtig gewesen, auch in diesem Fall die Vorgaben des Völkerrechts zu wahren. Gewiss: Der von Trump angeordnete Angriff war gering im Vergleich zu den Verbrechen, die das Assad-Regime Tag für Tag begeht. Aber er verstößt gegen die Normen, höhlt das Recht von innen aus. Denn weder lag ein Fall von Selbstverteidigung vor, noch hatte Trump ein UN-Mandat.

Wie gefährlich ein solcher Normenverstoß ist, weiß man aus jüngeren Fällen: Die US-Intervention in den Irak 2003 war ebenso wenig gedeckt wie die Annektion der Krim durch Russland 2014. In beiden Fällen zeigt sich: Wo das Völkerrecht missachtet wird, kommt das Recht des Stärkeren zurück. Entschuldigungen und Rechtfertigungen, das zeigte sich auch in diesen beiden Fällen, sind nichts anderes als der Versuch, diesem archaischen Recht wieder zur Geltung zu verhelfen. Setzt sich das durch, unterminiert die Weltgesellschaft sich selbst.

Das Völkerrecht ist keine Abhandlung über ideale Welten. Es ist im Gegenteil der Versuch, die wenig ideale Realität einen Tick berechenbarer und stabiler zu machen. Gibt man diesen Versuch auf, ist die Barbarei eines Assad nur der Auftakt zu neuen Barbareien auf globaler Ebene. Eben das verhindert bislang das Völkerrecht.

 

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika