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Ukraine zurück im alten System

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Bernd Johann
14. April 2016

Die Ukraine hat einen neuen Regierungschef. Aber das Vertrauen in die Reformfähigkeit schwindet, weil Seilschaften und alte Verhaltensmuster aus der Vor-Maidan-Zeit wieder zurückkehren, meint Bernd Johann.

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Karikatur von Sergey Elkin Ukraine Jazenjuk und Groisman
"Jetzt ist es alles deins" sagt der alte Regierungschef Arseni Jazenjuk zu seinem Nachfolger Wolodymyr Hroisman (re.)

Beinahe wäre Wolodymyr Hroisman gescheitert. Streitereien um die Besetzung von Ministerposten blockierten tagelang die Wahl des neuen ukrainischen Regierungschefs. Präsident Poroschenkos Plan, seinen Vertrauten auf den Posten des Ministerpräsidenten zu hieven, stieß in der Regierungskoalition auf Widerstand. Zumal als Poroschenkos Ziehkind Hroisman sich gegen Ministerkandidaten stemmte, um eigene Leute durchzusetzen.

Am Ende bekam der Präsident, was er wollte: Der bisherige Parlamentssprecher Hroisman ist Ministerpräsident. Doch ein Befreiungsschlag, der die politische Krise in der Ukraine beenden könnte, ist das nicht. Zwar bleiben dem Land jetzt eine Auflösung des Parlaments und damit Neuwahlen erspart. Aber die Reformer in Kiew sind aus dem Machtkampf nicht als Sieger hervorgegangen.

Zurück in der Vor-Maidan-Zeit

Zwei Jahre nach dem demokratischen Aufbruch auf dem Maidan sind alte, intransparente Verhaltensmuster in die Ukraine zurückgekehrt. Politische Inhalte spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Was zählt sind Macht und Amt. Die breite Regierungskoalition aus mehreren Parteien, die dadurch auch die Hoffnung der Gesellschaft auf eine europäische Ukraine widerspiegelte, ist zerbrochen. Seilschaften und Vetternwirtschaft, in denen nicht nur die Politik, sondern auch reiche Oligarchen aus dem Hintergrund mitmischen, sind wieder auf dem Vormarsch.

Auch Poroschenko gehört dazu. Als Präsident hat er sich noch immer nicht - wie eigentlich versprochen - von seinen Unternehmen getrennt. Durch die Panama Papiere wird er nun erneut belastet. Poroschenko hat Hroisman politisch groß gemacht. Der neue Regierungschef war Bürgermeister von Winnyzja, bevor er über die Präsidentenpartei in die Politik nach Kiew wechselte. In Winnyzja produziert auch eine Schokoladenfabrik Poroschenkos. Die Stadt ist die politische Heimat des Präsidenten. Ein Schelm, wer dabei an eine Seilschaft denkt.

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Bernd Johann leitet die Ukrainische Redaktion der DW

Keine Ausreden mehr für Poroschenko

Poroschenko hat den bisherigen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk zum Rücktritt gezwungen und ihn damit zum Sündenbock für politische Versäumnisse gemacht. Jetzt regiert sein Mann die Ukraine. Für den Präsidenten wird es künftig keine Ausreden mehr geben, wenn Reformen verschleppt werden.

Wann kommt die Dezentralisierung, die den Regionen der Ukraine mehr Eigenverantwortung und Rechte geben soll? Wann wird das Justizwesen endlich reformiert, damit die Korruption dort verschwindet? Hunderte Staatsfirmen müssen privatisiert werden, um Investoren anzulocken und Geld in die klammen Kassen der Ukraine zu bekommen. Der Staatsbankrott droht noch immer. All diese Projekte wurden in Kiew bislang vertagt, ebenso wie die Suche nach Kompromissen beim Krieg im Donbass, den Russland der Ukraine aufgezwungen hat.

Der neue Regierungschef Hroisman hat keine Schonfrist. Durch die wochenlange Regierungskrise ging nicht nur Zeit, sondern auch politisches Vertrauen verloren. Zu Recht wird in der Ukraine und im Westen die Frage gestellt, wie reformwillig das neue Kabinett sein wird. Dass tatkräftige Reformer aus der bisherigen Regierung nicht mehr dabei sein sollen, ist kein gutes Zeichen.

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