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Vereinte Nationen - Hilflos in der neuen Welt

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
22. September 2016

Der Streit um den Angriff auf einen Hilfskonvoi in Syrien zeigt, dass die UN keine Strategie finden, den Menschen in der Kriegsregion zu helfen. Deutschland könnte eine zunehmend wichtige Rolle spielen, mein Ines Pohl.

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Syrien: Durch einen Luftangriff zerstörter Lastwagen eines UN-Hilfskonvois (Foto: Getty Images/AFP/O. Haj Kadour)
Bild: Getty Images/AFP/O. Haj Kadour

Die Vereinten Nationen sind am Ende. Die Strukturen der Organisation sind endgültig aus der Zeit gefallen. Sie passen nicht mehr in eine Welt, in der die Konflikte nicht länger entlang von Staatsgrenzen verlaufen, in der um die Vorherrschaft von Ideologien gekämpft wird und nicht mehr um territoriale Zugewinne. Mit den Verbalattacken des US-amerikanischen Außenministers John Kerry gegen seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow hat die Welt nun auch den Videobeweis: Die bürokratische Monsterbehörde weiß nicht mehr, was sie tun kann, um den Syrerinnen und Syrern zu helfen.

Die Bombardierung des Hilfskonvois, der Erleichterung für Tausende von Menschen bringen sollte, ist der furchtbare Beleg dafür, dass alles Verhandeln und Ringen am Ende nichts gebracht hat. Dass die Menschen weiter sterben. Jeden Tag. Jede Nacht. Auch jetzt, in diesem Moment, während Sie diese Zeilen lesen.

Erfahrungen aus dem Zeiten Weltkrieg

Die Welt war eine gänzlich andere, als die UN 1945 gegründet wurden. Die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg waren frisch. Um Ähnliches in Zukunft zu verhindern, wurden entsprechende Strukturen geschaffen. Damit einzelne Supermächte nicht zu stark werden, wurden die fünf permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates mit dem Recht eines Vetos ausgestattet. Heute wichtige Wirtschaftsmächte wie Brasilien und Indien hatten keinen Platz am großen Tisch. Nachkriegs-Deutschland ist erst seit 1973 überhaupt UN-Mitglied.

Im Kern hat sich an dieser Struktur nur wenig geändert. Noch immer kann ein Land wie Russland oder China oder auch die USA jeden Mehrheitsbeschluss ganz einfach mit einem Veto verhindern. Das betrifft übrigens auch die Wahl des UN-Generalsekretärs. Auch dabei verhindert die Struktur, dass ein Mann oder eine Frau mit einer klaren, mutigen Vision an die Spitze des Gremiums gewählt wird. Am Ende kann sich immer nur ein Kandidat des Mittelweges durchsetzen, der alle Seiten befriedigen muss, und bei heiklen Themen, in denen Position bezogen werden müsste, dies nicht darf.

DW-Mitarbeiterin Ines Pohl (Foto: DW)
Ines Pohl, DW-Korrespondentin in WashingtonBild: DW

Keine Kraft zur Erneuerung

Die Institution also, die in einer Welt des Terrors, der zerfallenden Staaten und Strukturen wichtiger denn je ist, findet weder Mut noch Kraft, sich aus sich selbst heraus zu erneuern. Wohl auch deshalb, weil die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs nicht anerkennen wollen, dass sie alleine keine Lösungen für Konflikte wie den in Syrien finden können, dass sie Macht abgeben müssen, um die UN-Vollversammlung tatsächlich zu einem mächtigen Instrument der Völkerverständigung zu machen.

Syrien: Ein Mann mit weißem Helm trägt ein Kind auf dem Arm (Foto: Reuters/A. Ismail)
Trotz aller Verhandlungen: Das Leiden der Menschen in Syrien geht weiterBild: Reuters/A. Ismail

Mit der neuen Eiszeit zwischen Russland und den USA scheint eine solche Reform der UN in unerreichbare Ferne gerückt zu sein. Und das ausgerechnet auch noch vor den Augen eines US-Präsidenten wie Barack Obama, der schon früh erkannt hat, dass die bisherigen Supermächte diesen neuen Kampf um Herrschafts-Ideologien nicht mehr ohne die neue Welt werden gewinnen können.

Rolle Deutschlands wird wichtiger

Mitten hinein in diese ausweglose Situation stellt Deutschland den Antrag, ab 2019 wieder für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat aufgenommen zu werden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Zumindest im Ukraine-Konflikt hat Berlin gezeigt, dass es in der Lage ist, zwischen den Lagern zu vermitteln. Die Insider, die die Hoffnung noch nicht gänzlich aufgegeben haben, sagen zudem, dass Deutschland, immerhin viertgrößter Beitragszahler, irgendwann auch zum ständigen Mitglied avancieren könnte.

Würde das helfen? Am Ende bleibt ja nichts anderes als sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass es immer noch besser ist, wenn Politiker sich anschreien, anstatt gar nicht mehr miteinander zu reden - und nur noch die Waffen sprechen lassen.

Und nicht zuletzt zeigt diese UN-Vollversammlung einmal mehr, dass Deutschland auch im Eigeninteresse handelnder Akteur sein muss im großen Welttheater. Der Syrienkonflikt ist ja nur ein brutaler Beleg von vielen, dass heutzutage auch die fernen Konflikte irgendwann immer auch zu Hause ankommen.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl