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Vergifteter Wahlerfolg für Cameron

Barbara Wesel8. Mai 2015

Der britische Premier Cameron hat mit seinen konservativen Tories klar gesiegt. Fast alle Herausforderer erlebten eine bittere Niederlage. Doch Camerons Freude über den Erfolg dürfte nur kurz sein, meint Barbara Wesel.

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David Cameron (Foto: Getty Images/P. Macdiarmid)
Bild: Getty Images/P. Macdiarmid

Was für David Cameron zunächst als die Erfüllung all seiner Wünsche erscheint, nämlich eine konservative Alleinregierung ohne Einschränkung durch einen Koalitionspartner, kann sich noch als vergiftetes Geschenk erweisen. Denn jetzt fehlt dem Premierminister die liberale Partei, die als nützlicher Puffer zwischen ihm und dem rechten Flügel der eigenen Partei diente. Cameron wird in die direkte Auseinandersetzung mit den eigenen Hinterbänklern gehen müssen, seine Partei ist notorisch zerstritten und der rechte Rand wird ihm das Leben schwer machen.

Wieder getrieben?

Zum Beispiel beim Thema Europa. David Cameron muss sein Versprechen halten und spätestens in zwei Jahren ein Referendum über die EU Mitgliedschaft abhalten. Zuvor will er über neue, gelockerte Beziehungen mit Brüssel verhandeln. Dort kann man ihm zwar gewisse verbale Zugeständnisse machen, nicht aber die europäischen Verträge nach britischem Gusto umschreiben. Und keine Konzession wird den Europafeinden in der konservativen Partei genug sein. Sie werden den Premier weiter vor sich hertreiben und ihm den Ausstieg aus der Europäischen Union quasi aufzwingen.

Nationalismus als neue politische Droge

Barbara Wesel (Foto: DW)
DW-Reporterin Barbara Wesel aus LondonBild: DW/Georg Matthes

Unmittelbar nach seinem Sieg versprach David Cameron, er wolle das Land wieder einen. Denn das zeigt sich nach seinem Wahlsieg gespaltener denn je. Aber weil der "schottische Löwe röhrte", und die Nationalisten fast alle Sitze in Schottland an sich reißen konnten, werden sie dem Premier in London das Leben schwer machen. Was kann er ihnen anbieten, damit sie nicht ein neues Unabhängigkeitsreferendum anstreben? Einen föderalen Staat nach deutschem Muster? Und wie viel Geld wird die Regierung in Edinburgh für ihr Stillhalten verlangen? Die Heilung des tiefen Risses zwischen England und Schottland erscheint ohnehin unmöglich. Denn die Schotten haben den Nationalismus als neue politische Droge entdeckt und werden davon nicht so schnell lassen.

Gepunktet haben die Tories bei dieser Wahl vor allem mit ihren Erfolgen in der Wirtschaftspolitik. Aber wie nachhaltig ist das Wachstum? Kritiker vermuten längst hinter dem Aufschwung eine weitere Blase am Immobilienmarkt, beim Investmentbanking und dem privaten Konsum.

Mutation zum Einparteiensystem

Um Wahlsieger Cameron herum aber liegt die politische Landschaft Großbritanniens in Trümmern. Die Labour Party ist existentiell geschlagen, Parteichef Miliband war der falsche Kandidat mit dem falschen Kurs. Eine Mehrheit der Briten hat Labour als politische Alternative einfach abgeschrieben. Jetzt muss die Partei sich personell und inhaltlich erneuern. Vor den Wahlen war viel über ein aufkommendes Mehrparteiensystem in Großbritannien orakelt worden. Jetzt scheint das Gegenteil eingetreten zu sein: Das Land mutiert zum Einparteiensystem, weil politische Alternativen zu fehlen scheinen.

Für den wiedergewählten Premier David Cameron könnte sich bei der Betrachtung der wartenden Aufgaben, der tiefen Spaltung des Landes und des politischen Trümmerfeldes in der Opposition noch ein alter britischer Satz bewahrheiten, der besagt: "Sei vorsichtig, was Du Dir wünscht". Vielleicht war der Tag nach dem Wahlsieg der beste Tag seiner zweiten Amtszeit.

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