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Kommentar: Verständigung und Aussöhnung

Christiane Hoffmann28. Oktober 2005

Dresden hat ein Wahrzeichen zurück. Doch der Wiederaufbau der Frauenkirche ist mehr als nur die Vervollkommnung der traumhaften Kulisse von "Elb-Florenz".

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Die Frauenkirche hat nicht nur für die Dresdner, die schon immer eine große Verbundenheit mit ihrer Stadt zeigten, eine große Bedeutung. Sie ist nun auch ein Zeichen für das Zusammenwachsen eines Landes nach langer Teilung. Und sie ist zum Zeichen für die Versöhnung zwischen Völkern geworden, die gemeinsam die Folgen des Zweiten Weltkrieges überwunden haben. Wirklich eine Versöhnung zwischen Völkern, denn es waren vor allem Bürger, die zum Spenden aufriefen, und Bürger, die mit ihren Spenden zwei Drittel des Wiederaufbaus finanzierten. Sie haben ein Zeichen dafür gesetzt, was eine starke bürgerliche Gesellschaft leisten kann.

Mangel an politischen Willen verzögerte Wiederaufbau

Die Frauenkirche wurde zu DDR-Zeiten als Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung interpretiert - und so ließ man die Ruine stehen. Es war nicht nur Mangel an Geld sondern auch Mangel an politischem Willen, dass man die evangelische Kirche, ein Symbol des Bürgertums, nicht wiederaufbaute. Und so war der Drang der Dresdner nach der Wende Ende der 1980er-Jahre umso größer, das Kirchenhaus wiedererstehen zu sehen.

Spenden aus dem ganzen Land

Der Wiederaufbau wurde zum bekanntesten Einzel-Projekt der Wiedervereinigung Deutschlands und er brachte West- und Ostdeutsche einander näher, denn die Spenden kamen gleichermaßen aus dem ganzen Land. Es wurde ein nie gekannter Spendenmarathon, der über zwölf Jahre die Finanzierung des Wiederaufbaus sicherte. Durch das
Engagement von Bürgern, Künstlern, Politikern, Unternehmen ist das möglich geworden. Nobelpreisträger Günter Blobel zum Beispiel sagte, er sei der Stadt, in der er aufgewachsen ist, dankbar und wolle der Gemeinschaft etwas zurückgeben. Eine Einstellung, von der es mehr braucht.

Lebendige Bürgergesellschaft

Das Engagement der Stiftung und einer Bürgerbewegung, die tausende Spender mobilisierte, ist Ausdruck einer lebendigen Bürgergesellschaft. Ohne sie hätte es auch das Original der Frauenkirche nicht gegeben: Schon im 18. Jahrhundert war die Kirche vor allem durch die Geldmittel des Dresdner Bürgertums aufgebaut worden - in fast direkter Nachbarschaft zur katholischen Hofkirche des sächsischen Königs. Damals bildete sie ein Gegengewicht zu den Mächtigen im Land und war Ausdruck eines erstarkenden Bürgertums in jener Zeit.

Viele Spenden aus Großbritannien

Heute ist die wiedererrichtete Frauenkirche vor allem ein Symbol für Versöhnung geworden - gerade weil sich auch Briten so für den Wiederaufbau eingesetzt haben. Schließlich waren es britische Bomber, die im Februar 1945 die Stadt und die Kirche zerstörten. So sammelte der "Dresden Trust" rund 1,5 Millionen Euro Spenden im Vereinigten Königreich. Und das goldene Turmkreuz der Kirche wurde von einem Briten gefertigt, dessen Vater in einem dieser Bomber saß, die 1945 Dresden angegriffen hatten.

Die britische Stiftung will es aber dabei nicht belassen, sondern ist um langfristige Kontakte bemüht, unter anderem durch regelmäßige Schüleraustausche. Das ist eine Aussöhnung, die tiefer geht als ein freundliches Händeschütteln zwischen Politikern.