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Von Deutschland lernen…

Marcel Fürstenau24. November 2015

…könnte sich für andere Länder beim Thema Bildung durchaus lohnen. Gute Argumente finden sich in einer aktuellen OECD-Studie. Über die Ergebnisse dürfen sich nicht nur Politiker freuen, meint Marcel Fürstenau.

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Der OECD-Bildungsbericht 2015 als dicke Broschüre
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Jedes Jahr legt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre internationale Vergleichsstudie "Bildung auf einen Blick" vor. Die Ergebnisse waren aus deutscher Perspektive in den vergangenen Jahren oft unerfreulich: zu wenig Geld, zu wenige Studenten, zu schlechte Schüler. Davon ist in der aktuellen Untersuchung nur noch selten die Rede. Es mutet fast wie ein Wunder an, dass das in Sachen Bildung so oft gescholtene Deutschland jetzt in vielen Bereichen Klassenprimus sein soll. Und das will was heißen angesichts der 34 überprüften OECD-Staaten und zehn weiterer Länder. Darunter sind bildungspolitische Musterknaben wie Kanada und Finnland, aber auch Schwellenländer wie China und Südafrika.

Fortschritte macht Deutschland in fast allen Bereichen, das beginnt schon bei der sogenannten frühkindlichen Bildung. Zwar gibt es noch immer zu wenige Kindergarten-Plätze, aber der Trend ist positiv. Die Zahl der Zweijährigen in staatlichen und privaten Einrichtungen nimmt zu. Das ermöglicht mehr Vätern und Müttern, zu arbeiten. Kinder aus Migranten- und Flüchtlingsfamilien können besser und schneller deutsch lernen. Ihre Eltern müssen die Angebote aber auch annehmen. Wer aus religiösen, kulturellen oder sonstigen Gründen darauf verzichtet, schmälert die Chancen seines Nachwuchses auf einen guten Schulabschluss.

Das Jammern über fehlende Spezialisten müsste bald verstummen

Dass Bildung Voraussetzung für dauerhafte gesellschaftliche Integration und Teilhabe ist, bestreitet niemand. Welche Bildung aber die richtige ist, darüber lässt sich trefflich diskutieren. Die jahrlange Klage der Wirtschaft über fehlende Facharbeiter, Mathematiker, Naturwissenschaftler und Ingenieure müsste angesichts der OECD-Befunde schon bald verstummen. Denn in Deutschland entscheiden sich mittlerweile 40 Prozent für ein Studium oder eine Berufsausbildung mit dieser Ausrichtung. In den anderen Ländern liegt dieser Wert lediglich bei 26 Prozent.

DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel Fürstenau
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Aber auch aus anderen Gründen müssen deutsche Unternehmen keine Angst haben, keine Experten mehr zu finden. Unter den vielen jungen Flüchtlingen gibt es eine Menge Potenzial, und im europäischen Binnenmarkt sind gut ausgebildete Arbeitskräfte flexibler denn je. Aber Deutschland kann sich auch gut selbst helfen, vor allem Dank seines traditionellen dualen Systems. Die Kombination aus betrieblicher Lehre und Berufsschule funktioniert gut. Auch dafür finden sich Belege in der OECD-Studie: Der Übergang ins Berufsleben am Ende der Ausbildung gelingt in Deutschland besonders gut. Die vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit wäre ohne ein im Großen und Ganzen funktionierendes Bildungssystem kaum vorstellbar. Und deutsche Firmen wären weniger innovativ.

Nicht jeder muss studieren - im Gegenteil

Trotz der guten Gesamtnote sehen die Autoren der OECD-Studie noch einigen Nachholbedarf. Auch 2,7 Millionen Studenten an deutschen Universitäten sind ihnen zu wenig. Begründung: In anderen Ländern ist die Quote höher und es gibt hier zu viele Studienabbrecher. Das erste Argument ist schon deshalb fragwürdig, weil Masse nichts über Klasse und Bedarf aussagt. Das zweite Argument gibt in der Tat zu denken. Man kann es aber auch als Zeichen der Orientierung junger Menschen interpretieren. Nicht immer ist die erste Wahl die beste. Dann doch lieber ein anderes Fach wählen oder eine klassische Lehre beginnen.

Volkswirtschaftlich mag diese Rechnung zunächst höhere Kosten verursachen. Gesamtgesellschaftlich kann es sich langfristig aber bezahlt machen. Wer Bildung ausschließlich an ökonomischen und marktkompatiblen Vorgaben ausrichtet, denkt zu kurz. Geistes- wie Kopfarbeiter, die so schnell wie möglich funktionieren sollen, sind nicht automatisch die besseren. Für solche Überlegungen ist die zahlenlastige OECD-Studie völlig wertlos. Politiker und andere an diesem Thema interessierte Menschen sollten deshalb gelassen und verantwortungsbewusst mit den Ergebnissen umgehen. Auch mit der Kritik, Deutschland investiere zu wenig Geld in die Bildung. Entscheidend ist, was man mit dem Geld macht. Und das ist ausweislich der OECD-Befunde momentan ganz gut angelegt. Und darüber darf man sich auch mal freuen.

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