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Kommentar: Wahlkampf mit Panzern

Peter Philipp15. März 2006

Durch die Erstürmung des Gefängnisses in Jericho wollte die israelische Armee palästinensische Häftlinge in ihre Gewalt bringen. Doch auch andere Motive scheinen im Spiel zu sein, meint Peter Philipp.

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Nach der israelischen Militäraktion in Jericho flammt die Gewalt im Nahen Osten wieder aufBild: AP
Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Der Wahlkampf in Israel versprach eher flau zu werden, weil er sich nach dem Wahlsieg der radikalen Palästinenser-Organisation Hamas nicht am Kernproblem entzünden könnte - dem Friedensprozess. Wer dies dachte, sollte aber weit gefehlt haben: Der Wahlkampf wird mit Panzern geführt, mit Kampfhubschraubern und Planierraupen. Nicht in Israel selbst, sondern in den palästinensischen Gebieten. Genauer: In Jericho, jener friedlichen Oase im Jordan-Tal, die von den Nahostkriegen verschont geblieben war. Nun aber dies: Israel bombardiert, belagert und zerstört das dortige Gefängnis, um eine Hand voll Häftlinge, darunter Palästinenserführer Ahmed Saadat, in seine Gewalt zu bekommen, bevor diese möglicherweise nach der Regierungsübernahme durch die Hamas freigelassen werden. Bei dem Einsatz töteten Soldaten mindestens drei Palästinenser, darunter zwei Polizisten.

Menschenleben für Stimmen

Scharon-Nachfolger Ehud Olmert hat den Kreislauf der Gewalt erneut angestoßen und verstärkt. Und man nimmt in Jerusalem billigend in Kauf, dass dabei wieder einmal Unschuldige die Opfer sind: Nicht nur der Gefängniswächter, der erschossen wurde, sondern auch das knappe Dutzend Ausländer, die anschließend in den palästinensischen Gebieten entführt wurden. Und sicher auch die Israelis, die nun Zielscheibe der bereits angedrohten Rache der "Volksfront zur Befreiung Palästinas" werden dürften.

Ein hoher Preis für die Verbesserung der Wahlprognosen: Olmerts Kadima-Partei stieg in den Umfragen nach kürzlichem Rückgang wieder auf 42 der 120 Mandate an. Der Angriff in Jericho konterkariert den Eindruck, Olmert werde zu Konzessionen gegenüber den Palästinensern bereit sein. Und das bringt Olmert Pluspunkte, während der Opposition kaum anderes übrig bleibt, als seinem Vorgehen zuzustimmen.

Israels Verantwortung

Allzu Willfährige und Verständnisvolle deuten nun mit dem Zeigefinger auf die Palästinenser, bei denen wieder einmal der Mob wütet. Auch das nützt Olmert, weil es eine Rechtfertigung liefert, "mit solchen Leuten" nicht verhandeln zu wollen. Aber auch, weil es vom eigentlichen Problem ablenkt: Der aus Jericho herausgebombte Volksfrontchef Ahmed Saadat ist nämlich von keinem rechtmäßigen Gericht für den ihm zur Last gelegten Mord am damaligen israelischen Tourismusminister Rehawam Seewi verurteilt worden. Seine Inhaftierung sollte den israelischen Druck auf Jassir Arafats Hauptquartier in Ramallah nehmen, und amerikanische wie britische Beobachter sollten dafür sorgen, dass Saadat tatsächlich in Haft bleibt. Der Häftling konnte gleichwohl für das palästinensische Parlament kandidieren, und wurde auch gewählt. Weswegen er wohl auch tatsächlich mit Antritt der neuen Regierung freigelassen worden wäre.

Dass Amerikaner und Briten Stunden vor dem israelischen Angriff das Gefängnis verließen, kommt sicher auch nicht von ungefähr und verstärkt den Verdacht der Absprache mit Israel. Die Hauptverantwortung für die neue Eskalation aber liegt bei Israel. Es setzt es sich über Vereinbarungen hinweg, missachtet internationales Recht, und gefährdet unschuldige Menschenleben. Und das alles für ein paar Pluspunkte bei den Wahlprognosen.