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Was von Syrien übrigbleibt

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
30. September 2015

Die russische Luftwaffe fliegt erste Angriffe gegen Ziele in Syrien. Das heißt, Putin hat sich durchgesetzt. Dem Westen bleibt nur noch die Rolle, das Leiden der Bevölkerung zu verringern, meint Kersten Knipp.

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Russland MiG-29 Kampfjet
Bild: imago/A. Djorovic

Widersprüchlicher könnten die Behauptungen nicht sein: Man bekämpfe Stellungen der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in der Gegend um die Stadt Homs, sagt das russische Militär. Die USA, Frankreich sowie die Freie Syrische Armee sehen das ganz anders: An einigen der angegriffenen Orte sei der IS überhaupt nicht präsent. Ziel seien vielmehr die Gegner von Syriens Präsident Assad. Doch welche Nachrichten auch immer zutreffen, eines steht schon fest: Putin ist am Ziel!

Jahrelang, so muss man den Eindruck haben, hat der russische Staatschef auf diese Situation hingearbeitet: durch eine wiederholte Veto-Politik im UN-Sicherheitsrat, durch Beistands- und Solidaritätserklärungen an die Adresse des syrischen Diktators Baschar al-Assad und durch massive Militärhilfe. Im UN-Sicherheitsrat wusste Putin China an seiner Seite, in der Region selbst arbeitete er eng mit dem Iran zusammen. Drei Staaten von mindestens zweifelhafter politischer Kultur, drei Regime, die mit autoritärem Führungsstil keine Schwierigkeiten haben. Drei Regime, die nun die Zukunft nicht nur Syriens, sondern weiter Teile der arabischen Welt bestimmen.

Der Westen ist aus dem Spiel

Für den Westen heißt das: Er ist absehbar aus dem Spiel. Und rückschauend scheint es, als habe er sich in den vergangenen fast schon fünf Jahren des syrischen Bürgerkriegs nie ernsthaft gegen Russland durchsetzen können. Genf I, Genf II, die "Freunde Syriens", zahllose Konferenzen an zahllosen Orten: gebracht hat das alles nichts. Rund 250.000 Syrer kamen nach UN-Angaben in diesem Krieg bereits ums Leben. Vielleicht sind es auch schon weit mehr.

Der Westen hat sie nicht retten können. Er konnte sich nicht durchsetzen gegen die russische Obstruktionspolitik. Zumindest wagte er es nicht. Und wie hätte er es auch wagen können? In der Ukraine hat Putin gezeigt, wie weit er zu gehen bereit ist. Eine ähnliche Entschlossenheit hätte Moskau vermutlich auch in Syrien gezeigt - wohl selbst dann, wenn US-Präsident Obama das Überschreiten der von ihm definierten "roten Linien" durch Assad wie angekündigt sanktioniert hätte.

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Kersten Knipp

Keine Geste zeigte so nachdrücklich wie diese, wie zahm der Westen ist. Und vor allem, wie hilflos. Auf eine derart rabiate Politik wie die von Putin ist er einfach nicht eingestellt. Und wie sollte die angemessene Reaktion, jenseits von Sanktionen, auch aussehen? Kanonen will aus guten Gründen niemand mehr sprechen lassen. Das aber heißt: Putin hat sich durchgesetzt. Russland, so seine Botschaft, ist nach einem Vierteljahrhundert wieder eine Großmacht.

Assad wird bleiben

Für Syrien heißt das: Baschar al-Assad wird absehbar an der Macht bleiben. Und für die säkulare syrische Opposition heißt das: Sie sollte das akzeptieren. Noch Anfang dieser Woche hat sich Burhan Ghalioun, der ehemalige Vorsitzende des oppositionellen "Syrischen Nationalrates", indirekt dafür ausgesprochen, dass Assad von der Macht verschwindet. Die Gründe dafür sind zwingend - theoretisch zumindest. Praktisch dagegen muss man sich an den Gedanken gewöhnen, dass es so erst einmal nicht kommen wird: Die Syrer werden weiter unter ihrem Diktator leben.

Damit sie aber möglichst wenig unter ihm leiden, bleibt den westlichen Staaten nur eines: Sie müssen darauf hinwirken, dass Putin seinen Schützling zumindest domestiziert. Wenn Assad schon bleibt, dann sollte er wenigstens seinem Volk so wenig schaden wie möglich. Er muss davon ablassen, es Tag für Tag mit Fassbomben zu drangsalieren, sie millionenfach zur Flucht zu zwingen. Darauf hinzuarbeiten, ist für den Westen nun die dringlichste Aufgabe. Zu mehr ist er nicht mehr in der Lage. Vorerst bleibt ihm nur noch, den Syrern das Schlimmste zu ersparen.

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika