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Kommentar: Wer stoppt den "Islamischen Staat"?

Rainer Sollich4. August 2014

Im Irak haben die Dschihadisten weitere Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und eine Massenflucht ausgelöst. Bekämpft werden könnten sie vielleicht nach sunnitischem Vorbild, meint Rainer Sollich.

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IS-Kämpfer (Foto: picture-alliance/abaca)
Bild: picture-alliance/abaca

Während die Welt auf Gaza blickt, schaffen die Dschihadisten im Irak neue Fakten: Nachdem die Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS, zuvor ISIS) bereits im Juni die nordirakische Großstadt Mossul eingenommen hatten, folgten jetzt die nahe gelegenen Städte Sindschar und Samar, zwei weitere Ölfelder und die Talsperre von Mossul - immerhin der größte Staudamm des Landes. Kurdische und arabische Newsportale berichten von zahlreichen Exekutionen, 200.000 Menschen sind laut UN-Angaben auf der Flucht. Opfer sind dieses Mal überwiegend Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden, die von den militanten Extremisten des IS - ähnlich wie Schiiten und andere - als "Ungläubige" betrachtet werden. Zuvor hatte es in der Region bereits eine Massenflucht von Christen gegeben, die sich nur auf diese Weise dem Zwang zur Konversion oder zur Zahlung von Sondersteuern entziehen konnten.

Kurden geschwächt

Immer drängender stellt sich die Frage: Wer kann den IS-Terror stoppen? Die irakische Armee hatte bereits bei der Einnahme von Mossul bewiesen, dass sie den gut ausgerüsteten und bestens finanzierten IS-Kämpfern kaum etwas entgegenzusetzen hat. Die Stadt wurde den Extremisten praktisch kampflos überlassen. Die jüngsten Feldzüge der Dschihadisten zeigen jedoch, dass auch die vielgepriesene Kampfkraft der kurdischen Peschmerga-Milizen begrenzt ist. Die Kurden haben zwar eine Gegenoffensive gestartet, deren Ergebnis abzuwarten bleibt. Sie werden diesmal auch von der irakischen Luftwaffe unterstützt. Doch zunächst mussten sie bittere Niederlagen hinnehmen. Und vor allem: Sie konnten die Menschen in der Region nicht schützen.

Rainer Sollich (Foto: DW)
Rainer Sollich, Arabische RedaktionBild: DW/P. Henriksen

Der "Islamische Staat" beherrscht im Irak und in Syrien mittlerweile ein Gebiet, das um ein mehrfaches größer ist als der Libanon oder Jordanien. Und er verbreitet dort eine Schreckensherrschaft, die selbst noch das brutale Wirken von El-Kaida und den Taliban in den Schatten stellt. Selbst wenn es den Dschihadisten nicht gelingen sollte, ihr Herrschaftsgebiet zu vergrößern: Schon heute werden dort systematisch Menschen ermordet und vertrieben. Wie lange kann die Welt hier noch tatenlos zusehen?

Dschihadisten auch aus Europa

Äußerst gefährlich ist zudem, dass der "Islamische Staat" offensichtlich ein attraktives Betätigungsfeld für Dschihadisten aus aller Welt darstellt. Die Dschihadisten machen eine ebenso perfide wie hochprofessionelle Propaganda-Arbeit, stellen Gräueltaten wie Enthauptungen und Erschießungen umgehend ins Netz, auf dass sie möglichst viele Nachahmer finden. Und die finden sich tatsächlich: Nicht nur mehrere tausend Kämpfer aus anderen arabischen Ländern kämpfen inzwischen laut Angaben verschiedener Gehemeindienste in den Reihen von IS, sondern auch mehrere hundert aus Europa. Auch der Mann, der im Verdacht steht, im vergangenen Mai vier Menschen im jüdischen Museum in Brüssel ermordet zu haben, hatte zuvor als Dschihadist in Syrien gekämpft.

Vorbild Sunniten

Terror entsteht nicht aus dem Nichts. Die Dschihadisten profitieren davon, dass Syriens Diktator Baschar al-Assad Teile seines Volkes bombardieren lässt und dass der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki die Sunniten von der Macht fernhält. Er will am Dienstag (05.08.2014) sogar versuchen, sich erneut im Amt bestätigen lassen. Doch politische Lösungsansätze sind kompliziert und dürften inzwischen auch nicht mehr ausreichen. Der "Islamische Staat" muss auch militärisch bekämpft werden. Ein mögliches Vorbild hierfür könnten sunnitische Stämme in Ost-Syrien sein, die sich von IS losgesagt haben und nun neben Al-Assad auch die IS-Terroristen bekämpfen.