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Kommentar: Wichtigen Punkt vergessen

18. November 2014

Die geplanten Olympia-Reformen des IOC beinhalten viele gute Ansätze, um den Olympischen Geist wiederzuleben. Die Glaubwürdigkeit der IOC-Mitglieder aber wurde vergessen, kommentiert Tobias Oelmaier.

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Symbolbild - Olympische Ringe
Bild: Getty Images

Der Verzicht Oslos auf die Kadidatur für die Winterspiele 2022, der Widerstand in Deutschland und anderswo, Diskussionen um den Gigantismus in Rio und die Umweltverträglichkeit in Sotschi. Klar, dass etwas passieren muss, um die Olympische Bewegung zu retten, bevor es zu spät ist. Will das IOC die Spiele künftig nicht nur in den Emiraten, in Russland oder China ausrichten, in Staaten mit gar nicht oder nur scheinbar vorhandener Demokratie, dann helfen nur Reformen.

So scheint also Thomas Bach an der Spitze der Olympier die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Und zumindest auf den ersten Blick wirkt all das vernünftig, was verändert werden soll. Die Veröffentlichung des Vertrages mit der Ausrichterstadt zum Beispiel. Das könnte mehr Transparenz bringen, der Bevölkerung Ängste nehmen. Dazu das Angebot, künftige Bewerber bei der Kandidatur zu unterstützen. Das Entgegenkommen, Teile der Spiele auch außerhalb der eigentlichen Bewerberstadt stattfinden zu lassen, ja sogar außerhalb des Landes. Das erweitert das Spektrum potentieller Interessenten.

Auch die Verringerung der Kosten für die Bewerbung kann helfen, Kandidaten zu finden. Berlin und Hamburg rechnen damit, allein für eine mögliche Bewerbung für die Sommerspiele 2024 oder 2028 rund 50 Millionen Euro in die Hand nehmen zu müssen. Wer will, wer kann sich das schon leisten? Wer kann das vor seinen Bürgern vertreten, zumal die Wahrscheinlichkeit, den Zuschlag dann auch wirklich im ersten Versuch zu bekommen, ziemlich gering ist.

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DW-Redakteur Tobias OelmaierBild: DW / Christel Becker-Rau

Auch, dass man die Teilnehmerzahlen nicht ins Unermessliche steigen lassen möchte, klingt zunächst gut. Ein Limit von 10.500 Athleten im Sommer, 2.900 im Winter. Das aber kann nur funktionieren, wenn man den Spielen etwas von ihrem Charme, von ihrem Grundgedanken nimmt. Denn neben dem Aspekt "Schneller, höher, weiter" hat vor allem "Dabeisein ist alles" Olympia geprägt. Zumindest in der manchmal vielleicht naiven Vorstellung der Zuschauer. Beschränkt man aber die Zahl der Athleten, werden die verschleierte Muslima auf der Tartanbahn, der Schwarzafrikaner auf der Skipiste oder der Jamaikaner im Bob bald olympische Geschichte sein. Dann gilt wirklich nur noch die absolute Leistungsfähigkeit.

Hier sollte das IOC noch einmal in sich gehen. Und einen Aspekt hat man offenbar ganz vergessen, der dazu beitragen würde, den Olympischen Geist wiederzubeleben: Sich selbst zu hinterfragen, die Glaubwürdigkeit der IOC-Mitglieder. Zwar wird künftig - auch das geht aus den Reformplänen hervor - allen Organisationen, die mit der Olympischen Bewegung in Zusammenhang stehen, abverlangt, die Prinzipien der "Good Governance" zu akzeptieren. Eine explizite Bestärkung, dass dieses Bestreben auch für die eigenen Mitglieder gilt, fehlt aber.

Die wäre aber vonnöten, denkt man zum Beispiel an die nie vollständig erfolgte Aufarbeitung der Hintergründe zur Vergabe der Winterspiele 2002 an Salt Lake City oder an frühere IOC-Wahlen. Nur, wenn die Macher absolut integer sind, werden sich moderne, demokratische Gesellschaften wieder mit der Idee von Spielen im eigenen Land anfreunden können. Hier muss Bach noch nachbessern!