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Blanker Unsinn

Bernd Riegert18. Januar 2008

Die Schließung der Handy-Fabrik von Nokia in Bochum schlägt hohe Wellen. Unter anderem ist der Vorwurf zu hören, der Umzug nach Rumänien werde durch EU-Subventionen finanziert. Unsinn, meint Bernd Riegert.

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Bild: DW
Bernd Riegert

Die Europäische Union mag ja an vielem Schuld sein, nicht aber daran, dass der Handy-Hersteller Nokia sein Werk in Bochum schließt. Der vorschnell geäußerte Verdacht von deutschen Politikern, für die Umsiedlung des Werkes nach Rumänien seien EU-Subventionen geflossen, ist falsch. Wieder einmal wurde nur der beliebte Reflex ausgelöst: Wenn es innenpolitische Schwierigkeiten gibt, muss ja wohl einer Schuld sein, am besten die seelenlose Bürokratiemaschine in Brüssel. Es ist nicht das erste Mal, dass man mit dem Finger nach Brüssel zeigt, obwohl die Probleme doch eher hausgemacht sind.

Sündenbock Dienstleistungsrichtlinie

Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen musste einst die Dienstleistungsrichtlinie - die das uneingeschränkte Anbieten von Dienstleistungen in der EU ermöglicht - als Sündenbock herhalten, die der damalige Bundeskanzler Schröder selbst mit auf den Weg gebracht hatte. Da war es der Bundeswirtschaftsminister Glos, der beim Umzug eines AEG-Werkes aus Nürnberg nach Polen einen EU-Subventionsskandal witterte. Auch daran war nichts.

Nun also Nokia und Bochum. Der finnische Telefon-Riese zieht in einen Gewerbepark in Rumänien, dessen erster Bauabschnitt vor sieben Jahren mit EU-Mitteln teilweise finanziert wurde. Daran ist überhaupt nichts auszusetzen. Das geschieht überall in der EU, übrigens auch in den strukturschwachen Gebieten von Ostdeutschland oder auch im Ruhrgebiet, wohin die EU auch Fördermittel gibt.

Normaler Vorgang

Es ist, so schmerzlich das natürlich für die betroffenen Arbeitnehmer in Bochum ist, ein normaler Vorgang, dass ein europäisches Unternehmen innerhalb der Europäischen Union seine Produktionsstätten da ansiedelt, wo es die besten Bedingungen vorzufinden glaubt. Das ist Teil des allseits gewollten Binnenmarktes.

Vielleicht waren die Finnen ja auch nicht so glücklich, als Nokia sich entschieden hatte, von Finnland nach Bochum zu gehen, damals in den 90er-Jahren. Da haben deutsche Politiker nicht geklagt. Das Bewusstsein, dass es im europäischen Binnenmarkt Gewinner, aber eben manchmal auch Verlierer gibt, ist anscheinend wenig ausgeprägt. EU-Kommissionspräsident Barroso hat ganz Recht, wenn er darauf hinweist, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt zu den Gewinnern des wachsenden Binnenmarktes zählt.

Übrigens verlagern nicht nur ausländische, sondern auch deutsche Firmen immer wieder Produktionen in andere EU-Länder. Ausschlaggebend sind bei diesen Entscheidungen meistens die Kostenfaktoren wie Arbeit, Energie, Transport und Steuern, nicht die versprochenen Zuschüsse. Die Subventionen sind allenfalls ein zusätzliches Werbemittel der Städte, die Betriebe anlocken wollen. Diesen Wettbewerb gibt es ja auch innerhalb Deutschlands und innerhalb Nordrhein-Westfalens. Bochum, Essen, Oberhausen, Köln oder Düsseldorf: Alle werden zu Konkurrenten, wenn es um Gewerbeansiedlung geht. Das ist eben auf europäischer Ebene zwischen Deutschland, Slowenien oder Rumänien auch so. Willkommen im grenzenlosen Binnenmarkt.