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Zulässige Belastbarkeit überschritten

Max Hofmann29. November 2014

Die EU-Kommission gibt Haushaltssündern noch Zeit, Perspektiven zur Reduzierung ihrer Defizite aufzuzeigen. Das ist richtig! Für die Rettung des europäischen Projektes ist mehr notwendig als Geld, meint Max Hofmann.

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Kommissionspräsident Juncker will Haushaltssünder vorerst nicht bestrafenBild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Klar, der deutsche Fiskal-Musterschüler Deutschland hätte allen Grund gehabt, sich auf die Hinterbeine zu stellen und auf Recht und Ordnung zu verweisen. Macht er aber nicht. Und das, obwohl seit 2013 Milliardenstrafen für Haushaltssünder möglich sind und vor allem Frankreichs Budget-Pläne schwer zu verteidigen sind.

Nur, was sollen diese Strafen zum jetzigen Zeitpunkt bringen? Die einzig verlässlich vorhersehbaren Auswirkungen wären die Vergrößerung der betroffenen Haushaltsdefizite (wegen der Strafen) und die Vergrößerung der Abneigung gegenüber der EU und dem deutschen Musterschüler.

Mehr UND weniger Europa

Für das europäische Konstrukt gibt es zwei Hauptgefahren: Die erste ist, dass Mitgliedsstaaten im Prinzip machen können, was sie wollen. Und alle anderen müssen dafür gerade stehen - siehe Griechenland. Die andere ist, dass immer mehr Menschen die Europäische Union ablehnen.

Die erste Gefahr soll mit neuen Regeln und Mechanismen wie der Bankenunion oder eben auch Geldstrafen bei Regelverstoß gebannt werden. Eigentlich bräuchte es noch viel weitreichendere europäische Eingriffe in die nationalen Souveränitäten, um Euro und EU auf ein solides Fundament zu stellen. Aber unterm Strich reicht hier die Einsicht, MEHR Europa ist notwendig.

Deutsche Welle Studio Brüssel Max Hofmann
Max Hofmann, DW-Studio BrüsselBild: DW/B. Riegert

Der zweiten Gefahr ist noch schwerer beizukommen: Brüssel muss jeden Eindruck von Bevormundung der geschwächten Regierungen in den betroffenen Ländern vermeiden, sonst treibt sie die Menschen direkt in die Arme europakritischer oder extremer Parteien, wie dem Front National in Frankreich.

Ohne Vertrauen keine Belastbarkeit

Diese beiden Gefahren sind wie steil abfallende Berghänge, auf deren Grat die Juncker-Kommission agieren muss. Sonst fügt sie der EU weiteren Schaden zu. Genau diese diplomatische Gratwanderung strebt sie an, indem sie Frankreich, Italien und den anderen Haushaltssündern noch ein wenig Aufschub gewährt, ohne die Regeln grundsätzlich in Frage zu stellen.

So gewinnt die Kommission ihrerseits auch Zeit, um ihr größte Herausforderung in Angriff zu nehmen: den Bürger der Union einen Grund zu geben, dem europäischen Projekt wieder Vertrauen zu schenken. Ohne diese Begründung fehlt der EU die Belastbarkeit, um ihre eigenen Regeln durchzusetzen.