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Zum 1. Mai gegen den Populismus

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Rolf Wenkel
1. Mai 2017

Die deutschen Gewerkschaften wollen zum 1. Mai ein klares Signal gegen Rechts setzen und eine gerechte Flüchtlings- und Migrationspolitik einfordern. Schade, dass kaum noch jemand auf sie hört, meint Rolf Wenkel.

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Deutschland Stuttgart DGB Kundgebung
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kraufmann

Am heutigen Montag wird eine Tradition 127 Jahre alt, die in vielen Ländern der Welt verbreitet ist: Der erste Tag im Mai gehört den Arbeitern und den abhängig beschäftigten Menschen. Am 14. Juli 1889 beschloss ein Internationaler Arbeiterkongress in Paris, dass an einem bestimmten Tag die Arbeiter auf die Straße gehen sollten, um den Acht-Stunden-Tag zu fordern. Und weil der amerikanische Arbeiterbund eine solche Kundgebung schon für den 1. Mai 1890 beschlossen hatte, blieb es bei diesem Datum.

Seitdem gilt der 1. Mai als Tag der Arbeiterbewegung - der freilich schnell seine Unschuld verlor: In Deutschland erklärten ausgerechnet die Nationalsozialisten 1933 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag und nutzten ihn zu Massenaufmärschen und zu Propaganda in ihrem Sinne, während die Gewerkschafter in Gefängnissen und Konzentrationslagern verschwanden. Und auch die sozialistischen Staaten des einstmaligen Ostblocks hatten den Tag der Arbeit pervertiert: Er diente zu Aufmärschen mit Stechschritt, Panzern und Raketen, während die Gewerkschaften zu bloßen Anhängseln von Staat und Partei degenerierten.

Der DGB will im Wahljahr Themen setzen

Und heute? Zum 1. Mai 2017 hat der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Dachverband vieler großer Einzelgewerkschaften, das Motto "Wir sind viele. Wir sind eins" herausgegeben. Am Tag der Arbeit wollen die Gewerkschaften im "Superwahljahr 2017" Themen setzen, die die Politik nach ihrer Ansicht unbedingt angehen muss, um Deutschland sozialer und gerechter zu machen. "Das Jahr 2017 steht im Zeichen von drei Landtagswahlen und der Bundestagswahl im Herbst. Die Themen Rente und Arbeitszeit werden die Gewerkschaften deshalb 2017 besonders vorantreiben - auch am 1. Mai", heißt es dazu beim DGB

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DW-Wirtschaftsredakteur Rolf Wenkel

Im Wahljahr will sich der DGB auch deutlich gegen Rechts positionieren. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann warnte bereits im vorigen Jahr am 1. Mai in Stuttgart, die soziale Spaltung nütze nur den Gegnern der Demokratie. "Die Rechtspopulisten behaupten, sie seien die Partei des kleinen Mannes. Aber ihre politischen Programmpunkte bei der Steuer-, Renten- und Sozialpolitik zeigen, dass sie eine Partei der Besserverdiener sind, ohne Konzept, europafeindlich, menschenfeindlich und keine demokratische Alternative", heißt es beim DGB. Dem ist freilich kaum etwas hinzuzufügen.

Um die Interessen der Arbeitnehmer in den Mittelpunkt zu stellen, hat der DGB frühzeitig seine umfangreichen Anforderungen an alle Parteien formuliert. Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen setzt sich der Deutsche Gewerkschaftsbund auch für eine solidarische und gerechte Flüchtlings- und Migrationspolitik ein. Alle Deutschen profitierten, wenn Defizite bei Wohnungsbau, Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur behoben würden, schreibt der DGB in seinem Aufruf zum 1. Mai.

"Geflüchtete und Einheimische dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", hieß es auch schon im Aufruf des DGB zum 1. Mai 2016. Damals lautete die Forderung der Gewerkschafter: Keine Ausnahmen beim Mindestlohn, keine Absenkung von Arbeitsschutzstandards.

Stark schrumpfende Gewerkschaften

Allerdings werden diese Forderungen von einer immer kleiner werdenden Basis von Mitgliedern vertreten. Den Gewerkschaften geht es wie den Kirchen und den Sportvereinen: Die Mitglieder laufen weg, der Nachwuchs fehlt und Frauen sind unterrepräsentiert. 1990, als sich der damalige ostdeutsche "Freie Deutsche Gewerkschaftsbund" auflöste und dem DGB anschloss, zählte der Dachverband der deutschen Gewerkschaften elf Millionen Mitglieder. 2001 waren es noch knapp 7,8 Millionen, im vergangenen Jahr nur noch 6,05 Millionen.

Es ist tragisch, dass Gewerkschaften im öffentlichen Bewusstsein immer mehr an Bedeutung verlieren. Denn sie haben in den vergangenen anderthalb Dekaden viel dazu beigetragen, dass Deutschland vom kranken Mann Europas zur Lokomotive für den ganzen Kontinent geworden ist.

Engagement kaum gewürdigt

Sie haben maßgeblich mitgeholfen, in den Krisenjahren den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Zaum zu halten. Gewerkschafter haben für Kurzarbeit und Konjunkturprogramme gekämpft, jahrelang haben sie Lohnforderungen zugunsten der Sicherung von Beschäftigung geopfert und Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung geschlossen. Gewürdigt worden ist dieses Engagement der Gewerkschaften dagegen kaum.

Und heute? Die Solidarität der Gewerkschaften in den vergangenen Dekaden hat auch dazu beigetragen, dass Deutschland heute zu einem Magnet für Schutzsuchende geworden ist. Menschen fliehen vor Kriegen, Bürgerkriegen und vor politischer oder rassistischer Verfolgung. Deutschland hat deshalb eine Verantwortung bei der Aufnahme, Verantwortung für faire und zügige Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge - und auch Verantwortung für die Integration von Geflüchteten.

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