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Kommentar: Zwischen Hollywood und Nordkorea

Rainer Sollich27. März 2014

Der mächtige Armeechef Abdel Fattah Al-Sisi hat in Ägypten seine Präsidentschaftskandidatur angekündigt. Sein wahrscheinlicher Sieg lässt jedoch weder mehr Stabilität noch mehr Demokratie erwarten, meint Rainer Sollich.

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Deutsche Welle Rainer Sollich
Bild: DW/P. Henriksen

Ein General mit dunkel getönter Sonnenbrille und Militärmütze auf dem Weg ins höchste Staatsamt: Für viele Ägypter ist dies keine Schreckensvision, sondern Verheißung auf eine bessere Zukunft. "Sisi-Mania" nennen die Medien das Phänomen - ein wohl inszenierter Personenkult, der sich stilistisch irgendwo zwischen Hollywood und Nordkorea bewegt: Das Antlitz des bisherigen Verteidigungsministers und kürzlich demonstrativ zum Feldmarshall beförderten Abdel Fattah Al-Sisi ziert seit Monaten nicht nur patriotische Propaganda-Plakate, sondern auch T-Shirts und Schokotäfelchen. Die vielen Huldigungen und der Rummel um seine Person haben ihm nun erwartungsgemäß ermöglicht, in der Pose des pflichtbewussten Dieners seiner Nation "dem Rufe des Volkes" zu folgen: Der General streift seine Uniform ab und kandidiert bei den Präsidentschaftswahlen. Es besteht gegenwärtig kaum Zweifel daran, dass er sie auch gewinnen wird.

Fragwürdig ist jedoch, ob der General das Land wirklich in eine bessere Zukunft führen kann. Wer ihn wie seine Anhänger zum "Heilsbringer" verklärt, verkennt, dass Al-Sisi bereits jetzt als starker Mann hinter den Kulissen agiert. Der Sturz des ehemaligen Präsidenten Mohammad Mursi, die blutige Niederschlagung von Protesten und massenhafte Verhängung von Todesstrafen gegen Muslimbrüder, aber auch zunehmende Repressionen gegen liberale, linke und säkulare Aktivisten: All dies trägt sehr deutlich die Handschrift von Abdel Fattah Al-Sisi.

So verständlich es ist, dass die christliche Minderheit und auch viele muslimische Ägypter in Al-Sisi ein Bollwerk gegen religiösen Extremismus sehen - die Politik der eisernen Hand führte bisher keineswegs zu einer stabileren Entwicklung. Sie verschärft die ideologische Spaltung in der Gesellschaft und bringt regelmäßig neue Gewaltwellen hervor, während sich die Wirtschaftslage trotz zu erwartender Finanzhilfen aus Saudi-Arabien weiter verschlechtert. Dies ist nicht nur für Ägyptens Zukunft gefährlich - es ist eine Gefahr für die ganze Region. Wenn Al-Sisi hier nicht mit neuen politischen Ansätzen überrascht, dürfte der weitere Weg vorgezeichnet sein: Ägypten geht schnurstracks zurück in Richtung Vergangenheit. Die Revolution von 2011 wird nicht widerrufen. Sie wird einfach außer Kraft gesetzt.