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Kommunalwahl in Bulgarien: Erfolg für Sozialisten und Populisten

31. Oktober 2007

Die Kommunalwahlen am 28. Oktober in Bulgarien haben vor allem eines gezeigt: Die Menschen sind frustriert. Die allgemeine Politikverdrossenheit treibt seltsame politische Blüten. Alexander Andreev analysiert:

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Boiko Borissov - neuer und alter Bürgermeister von SofiaBild: AP Photo

Katerstimmung nach dem EU-Beitritt – so lässt sich das Ergebnis der Kommunalwahlen in Bulgarien am treffendsten zusammenfassen. Ministerpräsident Sergei Stanischev wies noch in der Wahlnacht auf die Schattenseiten der Wahl hin: den Stimmenkauf und das eigennützige Interesse der Kandidaten an den EU-Fördergeldern für bulgarische Kommunen. So ging es zum ersten Mal nach der politischen Wende in Bulgarien bei einer Wahl nicht um Politik, sondern nur um Geld. Diejenigen, die bereits vor der Wahl eine gut gefüllte Kasse hatten, sind auch diejenigen, die künftig über die EU-Gelder verfügen werden. Denn die Zuschüsse aus Brüssel werden nicht mehr zentral verteilt, und die Kommunen sind seit dem EU-Beitritt deutlich selbständiger, was die Finanzverwaltung anbelangt.

Wähler sind frustriert

Die niedrige Wahlbeteiligung hat hier und da zu seltsamen politischen Konstellationen geführt – und ist Ausdruck einer tiefen Frustration. Nahezu jeder dritte Wahlberechtigte in Bulgarien ist mit den Lebensbedingungen unzufrieden. Verantwortlich dafür seien vor allem die Machteliten im Land, glauben Meinungsforscher. Vor allem diejenigen, denen der demokratische und marktwirtschaftliche Wandel keine Vorteile gebracht hat, die Älteren und die gering Qualifizierten, sind enttäuscht. Rekordinflation, ein genereller Preisanstieg sowie ein monatelanger Lehrerstreik, der die bulgarische Gesellschaft gespalten und in große Schwierigkeiten gebracht hat, verschärfen die schlechte Stimmung. Davon profitieren insbesondere die populistischen Parteien.

Populisten profitieren vom Wählerfrust

Die neue Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (GERB) des Bürgermeisters von Sofia, Boiko Borissov, wurde erst Anfang des Jahres gegründet, gewann aber bei der Kommunalwahl am 28. Oktober die meisten Stimmen in den wichtigsten Großstädten. Borissov selbst wurde in Sofia mit über 50 Prozent bestätigt. Der ehemalige Feuerwehrmann, Bodyguard, Ex-Staatssekretär und General ist einer der bekanntesten und ambitioniertesten Politiker Bulgariens. Mit seinem Macho-Auftreten, seinen volkstümlichen Parolen und vor allem mit seiner populistischen Kritik an den politischen und ökonomischen Eliten hat der 48-jährige geschickt die allgemeine Unzufriedenheit für seine politischen Zwecke genutzt. Für seine Partei rechts vom politischen Zentrum hat er viele ehemalige Vertreter der Sicherheits- und Geheimdienste rekrutiert.

Ex-Geheimdienstler auf den Kandidatenlisten

Insgesamt hatten die Parteien über 400 Mitarbeiter der ehemaligen kommunistischen Geheimdienste nominiert, hat die bulgarische Geheimaktenbehörde festgestellt. Die Mehrheit der Wähler schien das allerdings nicht zu kümmern. Eine hohe Zahl von Ex-Spitzeln unter ihren Kandidaten wies auch eine andere populistische Partei auf, die "Ataka". "Ataka" konnte sich bei den Wahlen auf Platz vier etablieren. Im Unterschied zur GERB ist "Ataka" radikal anti-amerikanisch, EU-kritisch sowie türken-, juden- und minderheitenfeindlich. Beide Parteien bekämpfen vehement die Regierungskoalition in Sofia, vor allem den Juniorpartner in der Koalition: die Partei der türkischen Minderheit im Lande (DPS). Erwartungsgemäß hat die DPS auch dieses Mal ihr Wahlpotential in den von Türken besiedelten Regionen voll ausgeschöpft und kam auf Platz drei.

Politpoker in Sofia?

Auch das Abschneiden der regierenden Sozialisten war erwartet worden. Sie gewannen landesweit die meisten Stimmen. Die meisten der gewählten Kommunalräte sind Sozialisten. Allerdings behaupten einige Beobachter, die Sozialisten hätten in Sofia absichtlich einen chancenlosen Kandidaten aufgestellt. Ex-Geheimdienstgeneral Brigo Asparuhov "durfte" nicht gewählt werden, denn mit einem sozialistischen Erfolg in der Hauptstadt wäre der junge Premier Sergei Stanischev in die politische Zwickmühle zwischen seinem innerparteilichen Opponenten und "Sozialistenliebling" in Sofia, Rumen Ovtscharov, und Boiko Borissov von der GERB geraten. Borissov hätte sich sofort für vorgezogene Parlamentswahlen eingesetzt. Insofern hat die Kommunalwahl vor allem eines sehr deutlich gezeigt: Die "Mitte-Rechts"-Parteienlandschaft in Bulgarien ist hoffnungslos zerstritten.

Alexander Andreev, DW-Bulgarisch, 29.10.2007