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Kommunen in Finanznot

28. Dezember 2010

Kein Geld, nirgends. Jahr für Jahr klagen die Kommunen über sinkende Einnahmen bei steigenden Ausgaben. Auch dieses Jahr melden sie wieder ein Rekorddefizit. Dabei sind die Einnahmen sogar gestiegen.

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Orstschild mit dem Titel "Armenhaus" (Foto: Bilderbox)
Der Ortsname als Programm?Bild: BilderBox

Es gibt schönere Anlässe als die jährliche Pressekonferenz des deutschen Städte- und Gemeindebundes. Einmal im Jahr treten dessen Vertreter vor die Presse und erklären der Republik die Lage. "Der Wirtschaft geht es besser, den Kommunen geht es schlechter. Der wirtschaftliche Aufschwung ist in den Kassen der Kommunen nicht angekommen", lautet dann auch an diesem Dienstag (28.12.2010) die Jahresbilanz von Roland Schäfer, Bürgermeister der Stadt Bergkamen (Nordrhein-Westfalen) und Präsident des Städte- und Gemeindebundes. Insgesamt fehlten den Gemeinden in Deutschland in diesem Jahr elf Milliarden Euro.

Mehr Einnahmen, aber trotzdem nicht mehr Geld

Schlagloch (Foto: Waltraud Grubitzsch/picture alliance)
Viele Schlaglöcher können nicht mehr repariert werdenBild: picture alliance / ZB

Die Kommunen finanzieren sich in Deutschland vor allem über die Gewerbesteuer. Die bringt zwar dank des Aufschwungs mehr Geld in die Kassen, gleichzeitig sind aber die Kosten gestiegen. Eine Abschaffung dieser Steuer für Unternehmen, wie von Wirtschaftsverbänden und der FDP gefordert, lehnen die Kommunen deshalb ab und fordern stattdessen zusätzliche Entlastungen durch Bund und Länder. Denn dass den Kommunen Geld fehlt, ist nicht erst seit der Wirtschaftskrise der Fall. "Schlaglöcher werden nicht mehr ausreichend repariert, Schulen, Kindergärten, öffentliche Gebäude verfallen in vielen Kommunen zunehmend", sagte Schäfer. Aufgaben wie Bildung, bessere Kinderbetreuung und die Integration von Migranten würden immer schwieriger zu finanzieren.

Der Grund sind vor allem die gestiegenen Kosten für Sozialleistungen. 41 Milliarden Euro beträgt der Anteil der Kommunen an Sozialleistungen inzwischen, vor zehn Jahren waren es 15 Milliarden Euro weniger. Die Kommunen übernehmen etwa die Kosten für die Grundsicherung im Alter, die unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung gleich bleiben. Auch wenn ihre Einnahmen sinken, sind sie gesetzlich verpflichtet, diese Leistungen zu übernehmen. Für viele Gemeinden seien diese Leistungen nicht mehr zu schultern. In Nordrhein-Westfalen etwa seien über 30 Prozent der Kommunen unter einen sogenannten Nothaushalt gestellt worden, erklärte Schäfer. "Das heißt sie stehen unter Vormundschaft der Aufsichtsbehörde. Das führt dazu, dass jede Art von freiwilliger Ausgabe von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden muss. Das ist das Ende von lokaler Demokratie, wenn man überhaupt keine Gestaltungsspielräume vor Ort mehr hat."

Sinkendes Vertrauen der Bürger

Gerd Landsberg (Foto: dpa)
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und GemeindebundesBild: picture alliance/dpa

Doch auch in reichen Städten, wo die Gestaltungsspielräume noch vorhanden sind, erleben die Kommunalpolitiker ein wachsendes Misstrauen der Bürger. Kaum ein Vorhaben hat in den letzten Jahren so viele Menschen auf die Straße gebracht, wie der Umbau des Stuttgarter Bahnhofs. Gegen das Projekt "Stuttgart 21" haben im Herbst zehntausende wochenlang demonstriert, und damit nicht nur ihre Stadtverwaltung, sondern auch Land und Bund ziemlich unter Druck gesetzt. Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, glaubt, dass in Zukunft mehr und mehr Gemeinden mit solchen Fällen konfrontiert sein werden: "Man muss mit dem Bürger anders kommunizieren. Und ganz wichtig ist: Das ist doch ein Zeichen, dass die Leute gar nicht so politikverdrossen sind. Ich finde, das ist etwas Positives, das ist eine Chance und die muss man aufnehmen."

Vorstellen könnte sich der Städte- und Gemeindebund etwa, dass Planungsunterlagen frühzeitig im Internet veröffentlicht werden. Bei Großprojekten gebe es auch gute Erfahrungen mit Informationsständen, wo sich die Bürger dauerhaft über das Projekt informieren können. Aber dafür braucht man natürlich wieder Geld.

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Sabine Faber