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Kommunikation ist teuer

Bernd Riegert1. Februar 2006

Die EU-Kommission hat ein neues dickleibiges "Weißbuch" zur Öffentlichkeitsarbeit herausgebracht - randvoll mit wohlfeilen Plattitüden. Hat die EU schlicht ein Kommunikationsproblem?

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Wir müssen mit den Bürgern sprechen! Europa muss kommuniziert werden! Wir müssen zuhören! Die oberste PR-Managerin, EU-Kommissarin Margot Wallström, hat mit vielen Experten ein Jahr lang nachgedacht und eine Kommunikationsstrategie ersonnen, mit der sie die Europäer aus dem Tal der Tränen führen will.

Positiv sollen sie das gemeinsame Projekt ins Herz schließen. Nicht Plan B, sondern Plan D wie Dialog, Debatte und Demokratie soll verfolgt werden, um die zunehmend skeptischen Bürger zu überzeugen. Die Brüssler Zentrale will stärker in die Regionen gehen und vor Ort mit den Menschen sprechen, nationale Debatten in allen 25 Mitgliedsstaaten über Sinn und Ziel der EU sollen losgetreten werden. Die Vertretungen der EU-Kommission führen monatliche Tage der Offenen Tür ein. EU-Kommissionspräsident Barroso will ständig über Land tingeln. Im Fernsehen und auf Plakatwänden will die EU für sich selbst werben.

Der schwarze Peter

Schuld an der Misere und dem schlechten Image, das Europa in vielen Ländern hat, seien vor allem die nationalen Regierungen, findet Margot Wallström. Die schieben den Schwarzen Peter für unangenehme Entscheidungen oder ungewollte Folgen von Gesetzen gerne nach Brüssel ab. Bestes Beispiel war die alte rot-grüne Bundesregierung, die die Öffnung der Dienstleistungsmärkte zum Popanz aufbaute und ein Schreckensszenario von Sozialdumping an die Wand malte, wohl wissend dass die Dienstleistungsfreiheit in der EU längst gilt und jetzt dringend ausgestaltet werden muss. Die neue rot-schwarze Koalition hat es auch schon versucht, das "Blame-Game": Wirtschaftsminister Glos behauptete steif und fest, mit EU-Fördergeldern würden Arbeitsplätze aus Deutschland abgezogen und in Polen angesiedelt. Dass dies Unsinn ist, sollte man im Wirtschaftsministerium eigentlich wissen.

Nun ist sie also da, die neue Kommunikationsstrategie, aber anders als bei Unternehmen, die ein Produkt herstellen, hat Margot Wallström wenig zu verkaufen. "Wir haben keine Vision", gibt sie zu. Offiziell befindet sich die EU nach der Verfassungskrise im Prozess des Nachdenkens, das von der österreichischen Präsidentschaft farbenfroh und tief grübelnd zelebriert wird. Auf die Fragen, wie ein neuer EU-Verfassungsvertrag zustande kommen kann, was die EU konkret für Arbeitsplätze tut, warum wie viele Länder noch aufgenommen werden sollen und wie sich das ganze finanzieren läßt, hat die EU-Spitze noch keine Antworten. Was also soll kommuniziert werden: Ratlosigkeit?

Konsequent an den Bedürfnissen vorbei

Dass viele Menschen in Europa am Sinn der Union zweifeln, die Osterweiterung schlecht finden und Sozialdumping fürchten, liegt vielleicht daran, dass die EU an den Bedürfnissen der Bürger konsequent vorbei arbeitet. Wenn das Produkt ist nicht gut, da hilft auch Werbung nicht weiter. In ihrer Not hat die Kommunikationschefin Margot Wallström jetzt die Subsidiarität, die Erledigung der Aufgaben auf möglichst lokaler oder regionaler Ebene wieder entdeckt. Brüssel soll nicht mehr alles machen und sich entbürokratisieren. Das wird das Credo ihrer Kampagne sein.

Da bleibt noch viel zu tun, Anspruch und Wirklichkeit zur Deckung zu bringen, denn am selben Tag als Wallström das Zeitalter der neuen Kommunikation einläutete, beschäftigte sich die EU-Verwaltung gerade mit der Genehmigungspflicht für Werbesprüche, die Schokoriegel als gesund anpreisen, und mit der Briefzustellung in ländlichen Gebieten nach 2009.

Und ganz nebenbei hat Frau Wallström auch noch eine Erhöhung ihres Haushalts beantragt: Sich mitzuteilen ist schließlich teuer.