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Komorowski gewinnt Präsidentenwahl

5. Juli 2010

Polen bekommt ein pro-europäisches Staatsoberhaupt. Der bisherige Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski setzte sich in der Stichwahl gegen den national-konservativen Kandidaten Jaroslaw Kaczynski durch.

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Bronislaw Komorowski (Foto: AP)
Sieger: Bronislaw KomorowskiBild: AP

Nach Auszählung fast aller Stimmen steht Bronislaw Komorowski als Sieger der Präsidentenwahl in Polen fest. Der Kandidat des Regierungslagers erreichte gut 53 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Jaroslaw Kaczynski kam auf knapp 47 Prozent. Das offizielle Endergebnis teilte die staatliche Wahlkommission am Montag (05.07.2010) in Warschau mit. Kaczynski räumte bereits am Wahlabend seine Niederlage ein: "Ich gratuliere dem Sieger", sagte der nationalkonservative Euroskeptiker.

Wunschkandidat der Unternehmen

Von dem fünffachen Familienvater Komorowski wird erwartet, dass er eng mit dem reformorientierten Ministerpräsidenten Donald Tusk von der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) zusammenarbeitet, der als unternehmerfreundlich gilt und die Einführung des Euro befürwortet. Dagegen hatte Kaczynski im Wahlkampf Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben abgelehnt. Sein im April bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückter Bruder Lech Kaczynski hatte als Präsident das Vetorecht des polnischen Staatsoberhaupts genutzt, um unter anderem eine Renten-, Gesundheits- und Medienreform zu blockieren.

Mit Komorowski kann Tusk auf einen deutlich kooperativeren Präsidenten bauen. "Ab Montag müssen wir damit beginnen, noch härter zu arbeiten", sagte Tusk am Sonntagabend. "Wir wollen vernünftig Geld ausgeben und das erfordert die Unterstützung von Politikern wie Bürgern. Ich werde meine politischen Partner und das Parlament bitten, mir dabei zu helfen, etwas mehr Disziplin in unseren Haushalt zu bekommen."

Ein "starkes pro-europäisches Signal"

Die deutsche Bundesregierung begrüßte die Wahl Komorowskis. "Die souveräne Entscheidung des polnischen Volkes für Bronislaw Komorowski ist ein starkes pro-europäisches Signal", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Berlin. Es sei Ziel der deutschen Außenpolitik, die Beziehungen zu Polen ebenso zu vertiefen und zu verfestigen, wie das mit Frankreich gelungen sei.

Viele Linke wählten Komorowski

Flugzeug-Wrack (Foto: AP)
In diesem Flugzeug starb Ex-Präsident Lech KaczynskiBild: AP

Ausschlaggebend dürften bei der Stichwahl am Sonntag die Stimmen der linken Wähler gewesen sein. Umfragen zufolge gaben rund 70 Prozent der Wahlberechtigten, die in der ersten Runde den linken Kandidaten Grzegorz Napieralski unterstützt hatten, ihre Stimme diesmal Komorowski. Das Werben von Kaczynski um diese Wählergruppe blieb damit offenkundig erfolglos.

Beim ersten Wahlgang am 20. Juni hatte Komorowski mit 41,5 Prozent der Stimmen in Führung gelegen, die notwendige absolute Mehrheit aber verfehlt. Kaczynski landete damals mit 36,5 Prozent auf dem zweiten Platz.

Mit dem Sieg Komorowskis bleiben alle Schlüsselämter in Polen unter der Kontrolle des politischen Lagers von Regierungschef Tusk. Der von 1995 bis 2005 amtierende linke Präsident Aleksander Kwasniewski warnte die Bürgerplattform davor, diese Macht zu missbrauchen.

Die Aufgaben des polnischen Staatsoberhaupts sind nicht, wie etwa beim deutschen Bundespräsidenten, vorwiegend repräsentativer Natur. Vielmehr kommen dem Amt eigene Kompetenzen zu, beispielsweise in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Die Opposition lässt nicht locker

Jaroslaw Kaczynski (Foto: AP)
Gibt nicht auf: Jaroslaw KaczynskiBild: AP

Kaczynski machte noch am Wahlabend klar, dass er Tusk und seinen Gefolgsleuten weiter auf den Fersen ist: "Wir müssen siegen", sagte er mit Blick auf die Kommunalwahlen Ende des Jahres und die Parlamentswahlen 2011. "Siegen und sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, ist ein Debakel. Besiegt werden, aber nicht nachgeben, bedeutet Sieg", zitierte der 61-Jährige den Gründer des Nationalstaates nach dem Ersten Weltkrieg 1918, Jozef Pilsudski.

Der Oppositionsführer deutete bereits an, womit er die Regierung in nächster Zeit unter Druck setzen will. Im Zusammenhang mit der Absturz-Katastrophe vom April gebe es viele Fragen, auf die Antworten gefunden werden müssten, meinte Kaczynski. Die PiS fordert eine Übernahme der Ermittlungen durch Polen, weil sie den russischen Behörden nicht traut.

Die Stichwahl um das Präsidentenamt bestätigte erneut die tiefe politische Spaltung Polens. Der Westen und der Norden votierten, wie in den gesamten 20 Jahren nach dem demokratischen Umbruch, auch diesmal mehrheitlich für die proeuropäische und liberale politische Kraft. Der Osten und der Süden setzen jeweils auf den national-katholischen Kandidaten. Diese Spaltung zu überwinden, sehe er als seine Aufgabe, sagte Komorowski am Wahlabend.

Autoren: Christian Walz / Thomas Grimmer (rtr, dpa, apn, afp)
Redaktion: Ulrike Quast

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