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Der Jüdische Kulturbund in Berlin

16. Oktober 2009

Sie waren Deutsche und sie waren Juden. In der NS-Zeit bekannten sich viele Komponisten bewusst zu einer jüdischen Musik. Der deutsch-russische Pianist Jascha Nemtsov begibt sich auf Spurensuche.

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Jascha Nemtsov (Foto: Valeska Rein)
Jascha NemtsovBild: Valeska Rein

Was war der jüdische Stil und wer waren die Künstler, die ihn in der Musik anstrebten? Ihre Namen stehen heute – zynischerweise – höchstens noch in dem von den Nazis publizierten "Lexikon der Juden in der Musik".

Ein dunkles Kapitel der Musikgeschichte

Der Biografie und den Werken von Komponisten, die im Jüdischen Kulturbund eine künstlerische Heimat gefunden hatten, ist der russisch-jüdische Pianist und Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov im Rahmen eines Forschungsprojektes über Musik im Jüdischen Kulturbund Berlin nachgegangen. Die meisten in der NS-Zeit rassisch verfolgten Musiker und Komponisten, die noch nicht ausgewandert waren, konnten ihre Musik ab Sommer 1933 nur noch bei Veranstaltungen des Jüdischen Kulturbundes zu Gehör bringen.

Ausgewandert oder ermordet

Jakob Schönberg, ein entfernter Verwandter Arnold Schönbergs, im Jahr 1900 in Fürth als Sohn eines Synagogen-Vorbeters geboren, arbeitete als Musikkritiker, als Filmkomponist und als Musikberater für den Bayerischen Rundfunk in München. Unter den Nazis verlor er seine Stellung und ging nach Berlin, wo er verstärkt begann, jüdische Elemente in seiner Musik zu verarbeiten. Schönberg konnte 1939 nach England emigrieren.

Bei Arno Nadel, Jahrgang 1878, gehörte die Verwendung jüdischer Musik-Traditionen schon immer zu seinem Kompositionsstil. Von Kindheit an hatte ihn Synagogalmusik geprägt. Er wurde 1943 in Auschwitz ermordet.

Jascha Nemtsov (Foto: Susanne Krauss)
Jascha NemtsovBild: Susanne Krauss

Der Pianist und Komponist Karl Wiener ließ sich vor allem von den aktuellen Strömungen in der deutschen Musik beeinflussen, die stilistische Spannbreite reicht von der Spätromantik bis zur Atonalität. Jascha Nemtsov brachte jetzt gemeinsam mit der Sängerin Verena Rein die drei letzten Lieder Karl Wieners erstmals zur Aufführung, die der Komponist Ende 1941 in der Untersuchungshaft in Berlin verfasste, bevor er im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet wurde.

Selbstverständnis und Verpflichtung

Das Selbstverständnis, mit denen diese Komponisten ihre jüdische Tradition verarbeiteten, war vor 1933 unterschiedlich ausgeprägt, hat Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov festgestellt: "Sie waren damals inmitten der musikalischen Moderne beheimatet, alle Strömungen, die damals prägend waren, Atonalität, Neue Sachlichkeit. Der Neo-Folklorismus hat eine besondere Bedeutung gehabt, weil damit die Hinwendung zum Jüdischen verbunden war."

Jetzt will der Musikforscher Nemtsov mit seinem Forschungsprojekt, mit Konzertreihen und einer Publikation dazu beitragen, dass dieser jüdische Teil deutscher Musikkultur die angemessene Würdigung erfährt.

Autorin: Sigrid Hoff

Redaktion: Gudrun Stegen