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Kongo-Einsatz: Von Chancen und Risiken

Ute Schaeffer18. Mai 2006

Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Bundeswehr im Kongo eingesetzt werden. Der Bundestag debattiert am Freitag darüber. Die Abgeordneten stehen vor einer schweren Entscheidung, der Einsatz birgt große Risiken.

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Ein französischer Soldat (li.) in Bunia - Wie gefährlich ist der Einsatz?Bild: AP

Richtig gewollt hat den Kongo-Einsatz keiner, so schien es über Wochen. Und doch hat das Kabinett am Mittwoch (17.5.) die Entsendung von rund 800 Bundeswehrsoldaten in den zentralafrikanischen Staat beschlossen. Eine Entscheidung, zu der die Regierung in Berlin ganz offensichtlich eher von den europäischen Partnern gedrängt wurde, als dass es sie selbst entschlossen getroffen hätte. Notwendig wurde die EU-Mission vor allem, weil sich die UN nicht zum Handeln entschließen konnte. Es wäre ein Leichtes gewesen - im Mandat klarer, preiswerter und schneller zu organisieren - die UN-Truppen im Kongo zu verstärken und von 17.000 auf 20.000 Soldaten aufzustocken. Zweimal lag dem UN-Sicherheitsrat diese Frage zu Abstimmung vor. Doch sie scheiterte am Widerstand der USA.

Kongo Flughafen Kinshasa
Der Flughafen in KinshasaBild: AP

Nun soll Europa die Lücke schließen. 1500 europäische Soldaten sollen die Wahlbeobachter und Diplomaten schützen, den Flughafen sichern, den Blauhelmen im Angriffsfall beistehen. Es ist eine symbolische Mission - hält man sich vor Augen, wie wenig 1500 Soldaten in einem Staat ausrichten können, der so groß ist wie Westeuropa. Doch aus Symbolik und Diplomatie könnte schnell militärischer Ernst werden. Was passiert, wenn - was jetzt schon absehbar ist - im zerklüfteten kongolesischen Clansystem bewaffnete Gruppen das Wahlergebnis nicht anerkennen wollen, wenn die Sicherheitslage kippt? Werden die Soldaten aus Europa auf dem schnellsten Weg das Land verlassen? Oder werden sie dann letztendlich doch Teil von Kampfhandlungen, weil sie der Bevölkerung oder den UN-Soldaten beispringen müssen?

Deutsche genießen hohes Ansehen im Kongo

Auch wegen dieser Risiken verlief die ganze Entscheidung abwartend und taktierend. Die Bundesregierung versteckte sich zeitweilig hinter dem Hohen Beauftragten für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Javier Solana seinerseits verwies auf das noch ausstehende Einverständnis der kongolesischen Regierung. So vertat man wertvolle Zeit, die besser in eine gründliche Vorbereitung investiert worden wäre.

Bundeswehreinsatz im Kongo Symbolbild
Deutschland übernimmt FührungsrolleBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Deutschland genießt bei den Menschen im Kongo hohes Ansehen. Der Einsatz deutscher und europäischer Soldaten wird von den Kongolesen, die in ihrer ganz großen Mehrheit endlich Frieden wollen, als Zeichen verstanden, dass Europa sie auf diesem schwierigen und mutigen Weg unterstützt. Genau um dieses Zeichen geht es der EU mit ihrer Präsenz im Kongo. Die Kolonialmacht Belgien und auch Frankreich wollten - mit Blick auf ihre eigene Verantwortung und historische Rolle - die Leitung jedoch nicht übernehmen. Deshalb ist nun Deutschland die Führungsrolle zugefallen, in die es möglicherweise erst hineinwachsen muss.

Kongo-Einsatz bietet viele Chancen

Demokratische Republik Kongo Mine in Bukavu Zinn
Zinn-Mine in BukavuBild: AP

Die EU-Soldaten für den Kongo sind aber auch Symbol für die geänderte Afrikapolitik Europas. Denn in ihrer vor kurzem beschlossenen neuen Afrika-Strategie hat die Europäische Union versichert, den Afrikanern bei ihrem Kampf gegen Krieg, Hunger, Massenelend und Seuchen zu helfen. Gerade der Krisenstaat Kongo spielt dabei eine wichtige Rolle. Von ihm geht ein Krisenpotential für das gesamte subsaharische Afrika aus - und zugleich viele Chancen. Denn es handelt sich um einen der ressourcenreichsten Staaten weltweit. In wenigen Ländern gibt es so viel Gold und Diamanten. Hinzu kommen die größten Kupfererzvorkommen der Welt in Katanga im Süden Kongos sowie Zink und Kobalt. Auch das Roherz Coltan, das für Mobiltelefone und Spielkonsolen gebraucht wird, wird im Kongo abgebaut. Würde in diesem ressourcenreichen Land über demokratische Wahlen der Frieden wiederhergestellt, dann wäre dies auch ein wichtiger Impuls für Frieden auf dem gesamten Kontinent.

Kongo französische Soldaten im Provinz Ituri
Fanzösische Soldaten in der Provinz IturiBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Im Kongo nahm die gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor Jahren ihren Anfang. 2003 hatte die EU mit der "Operation Artemis" Militär in den ostkongolesischen Distrikt Ituri entsandt. Damals hatten 1100 überwiegend französische Soldaten in der Stadt Bunia eine Serie von Massakern durch verfeindete Milizen der Hema und Lendu gestoppt. "Artemis" gilt als Geburtsstunde der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Afrika. Die aktuelle Mission zeigt aber auch, wie wenig sich seitdem getan hat. In den Entscheidungsabläufen, organisatorisch und finanziell, ist die EU - allen Beteuerungen zum Trotz - mit solchen Einsätzen noch überfordert. Und doch werden die Europäer vielleicht bald auch in anderen Schlüsselkonflikten ihres Nachbarkontinents stärker gefragt sein - zum Beispiel im Sudan. Es ist deshalb höchste Zeit, den Rahmen für solche Einsätze klarer zu stecken.