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Entwicklungsländer

Andreas Becker17. Dezember 2008

Immer wieder gibt es Initiativen, um den ärmsten Ländern ihre Schulden zu erlassen. Trotzdem sind eine Reihe gerade entschuldeter Länder bereits wieder in die Schuldenfalle geraten. Ein Beispiel: der Kongo.

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Blick auf hügelige Landschaft im Ostkongo (Quelle: AP)
Die Demokratische Republik Kongo verschuldet sich trotz hoher Schulden weiterBild: AP

Patrice Ezati, Senator im Parlament der Demokratischen Republik Kongo, macht einen zufriedenen Eindruck. Zwar ist sein Land vom Bürgerkrieg zerrüttet und hoch verschuldet, auch fehlt es an Infrastruktur wie Straßen und Elektrizität. Doch der Kongo ist reich an Bodenschätzen - zehn Prozent der weltweiten Kupferreserven lagern hier und ein Drittel der Kobaltvorkommen.

Chinesen im Kongo auf dem Vormarsch

Nun ist das Land dabei, ein großes Geschäft mit chinesischen Investoren abzuschließen. "Die Chinesen dürfen unsere Bodenschätze ausbeuten - das ist vertraglich genau geregelt", erzählt der Senator. Im Gegenzug sorgen chinesische Firmen für eine bessere Infrastruktur - neue Straßen, Elektrizität, schiffbare Flüsse. "Beide Seiten profitieren davon", sagt der Senator, "Mein Land gewinnt und China gewinnt."

Jürgen Kaiser (Quelle: erlassjahr.de)
Jürgen KaiserBild: erlassjahr.de/presse

Der Kongo würde sich bei China mit rund neun Milliarden Dollar verschulden und damit seine bestehenden Auslandsschulden auf einen Schlag fast verdoppeln. Joachim Kaiser von Erlassjahr, einer Organisation, die sich für die Entschuldung von Entwicklungsländern einsetzt, teilt die Euphorie des Senators nicht. "Die Chinesen sind sehr clever vorgegangen und haben sich vertraglich praktisch exklusive Zugriffsrechte auf einige Regionen im Kongo gesichert", sagt Kaiser.

Auch die Neuverschuldung sei problematisch: "Die Situation sprengt alle Begriffe von Schuldentragfähigkeit." Wenn das Land wieder in die Krise gerät - kein unwahrscheinliches Szenario angesichts der ständigen Konflikte im Kongo - habe die Bevölkerung wieder besonders zu leiden, sagt der Schuldenexperte von Erlassjahr. "Dann werden alle Parteien versuchen, ihre Forderungen zu sichern und rauszuholen, was rauszuholen ist."

"Wir brauchen mehrere Geldquellen"

Senator Patrice Ezati dagegen versteht die ganze Aufregung nicht. "Wir haben uns viele Gedanken gemacht, bevor wir den Vertrag unterschrieben haben. Mein Land weiß genau, was es davon hat." Das Geschäft mit den Chinesen sei völlig unabhängig zu betrachten von den Gesprächen über Schuldenabbau, die der Kongo mit IWF und Weltbank führt. "Man kann das Land nicht entwickeln, wenn man nur eine Finanzquelle hat. Wir brauchen mehrere Geldquellen - interne und externe", sagt der Senator.

Auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank haben bereits vor dem Geschäft gewarnt. Beide Organisationen befürchten, dass der Kongo in eine neue Schuldenfalle gerät - und das, obwohl ihm gerade erst der Großteil seiner alten Schulden erlassen wird.

Zweifelhafte Doppelfunktion von IWF und Weltbank

Über Schulden armer Länder wird im so genannten Pariser Club geredet - hier sitzen die reichen Gläubigerländer, aber auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank zusammen. Joachim Kaiser von Erlassjahr kritisiert das Verfahren als wenig transparent. Auch fehle eine faire und neutrale Instanz, an die sich verschuldete Länder wenden können.

Bei IWF und Weltbank sieht Kaiser zudem einen Interessenkonflikt. "Sie haben ein Monopol auf die Begutachtung von Ländern. Sie sind aber gleichzeitig auch Gläubiger. Diese Doppelfunktion wäre in jedem Rechtsstaat völlig undenkbar." Die Folge laut Kaiser: Weltbank und IWF schätzen die Zahlungsfähigkeit der verschuldeten Länder regelmäßig zu hoch ein. Mit dem Ergebnis, dass viele Länder alle paar Jahre beim Pariser Club vorstellig werden müssen, um über erneute Umschuldung zu verhandeln. "Spitzenreiter ist hier immer noch der Senegal mit 13 Umschuldungsrunden seit 1981", sagt Kaiser.

Rechtmäßige und unrechtmäßige Schulden

Blick in den Konferenzsaal bei der Eröffnungssitzung der Doha-Konferenz (Quelle: AP)
Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in DohaBild: AP

Immerhin wurde bei der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha Anfang Dezember erstmals auf UN-Ebene anerkannt, dass dieses Verfahren verbesserungswürdig ist. Weniger Erfolg hatten Organisationen wie Erlassjahr bei einem anderen Thema: der Unterscheidung zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Schulden. Als Beispiel nennt Joachim Kaiser ein Geschäft aus dem Jahr 1992, als die deutsche Bundesregierung "etwa die Hälfte der alten DDR-Marine" nach Indonesien verkauft hat. Indonesien wurde damals vom Diktator Suharto regiert, und der setzte die Kriegsschiffe - entgegen der Absprachen - in internen Konflikten ein. Joachim Kaiser zählt auf: "In Aceh, den Molukken und auch beim Angriffskrieg gegen Ost-Timor. Die Bundesregierung hat das hingenommen und besteht bis heute auf der Bezahlung dieser Schulden - obwohl sie damals wusste, wofür die Kriegsschiffe eingesetzt wurden."

Erlassjahr und seine Partnerorganisationen setzen sich für einen Erlass oder eine Umwandlung der Schulden in Investitionen ein. Denn auf der Begleichung solcher Schulden zu bestehen, findet Joachim Kaiser, hieße nichts anderes, als dass die Bevölkerung die Kugeln, mit denen auf sie geschossen wurde, auch noch selbst bezahlen muss.