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Kontraproduktiv

Peter Philipp1. April 2003

Der Irak-Krieg ist noch lange nicht beendet, da richtet Washington verbale Attacken gegen zwei Nachbarstaaten des Irak. Mit den Vorwürfen gegen Iran und Syrien gefährden die USA aber ihre eigenen Ziele in Nahost.

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Es dürfte niemanden verwundern, dass es den Vereinigten Staaten vor dem Hintergrund der Ereignisse im Irak-Krieg heute wie nie zuvor schwer fällt, Freunde und Verbündete - oder auch nur Verständnis - im Nahen Osten oder auch sonst wo zu finden. Umso mehr überrascht, dass Washington durch neue Polemik sogar noch dazu beiträgt, die Schar seiner Feinde zu vergrößern.

Stärkung für die Hardliner

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld warf Syrien vor, es habe dem Irak Waffen - auf jeden Fall aber Nachtsichtgeräte - geliefert. Und den Iran bezichtigte er der offenen Einmischung im Irak-Krieg: Teheran habe bewaffnete schiitische Exil-Iraker über die Grenze in den Irak geschickt, damit diese dort gegen die US-Truppen kämpfen. US-Außenminister Colin Powell setzte noch eins drauf: Der Iran strebe seit langem nach Nuklearwaffen und er warnte Teheran nachdrücklich vor einer Fortsetzung dieser Politik.

In beiden Ländern wird man solche Warnungen kaum beherzigen, im Gegenteil: Sie werden den Hardlinern den Rücken stärken. In Syrien ist bereits zu beobachten, dass anti-amerikanische Demonstrationen keine Kritik am Regime üben wie in Kairo, Amman oder dem Jemen, sondern in schöner Eintracht mit dem Regime einher gehen. Und in Teheran stärken solche amerikanischen Vorwürfe die Konservativen, die hierin eine Bestätigung ihrer Animosität gegenüber den USA sehen.

Teheran verhält sich neutral

Der Iran hatte sich in den ersten Tagen des Irak-Krieges neutral verhalten und dies wurde auch von den Amerikanern bestätigt. Zwar mag man Saddam Hussein in Teheran ebenso wenig wie die amerikanische Regierung, aber man hat wiederholt versichert, dass man in diesem Krieg nur ein Interesse habe: dass er möglichst bald zu Ende geht. Es ist deswegen nicht anzunehmen, dass Teheran die auf seinem Territorium etablierten schiitischen Exil-Iraker dazu ermuntert, in den Krieg zu ziehen - egal, ob für oder gegen Saddam Hussein.

Und die nuklearen Ambitionen des Iran sind nicht neu: Obwohl der Iran als Erdöl- und Erdgasreicher Staat kein Problem mit Energieversorgung hat, bemüht er sich um den Aufbau mehrerer Atomkraftwerke, von denen das erste sich mit russischer Hilfe in der Phase der Fertigstellung befindet. Alle Kontrollen der Wiener Atom-Energie-Behörde sind bisher positiv ausgefallen und auch die Bekanntgabe in Teheran, man habe eigenes Uran gefunden, deutet eher darauf hin, dass man hier keine geheimen Pläne verfolgt.

Besserer Naher Osten?

Wenn Washington dennoch solche Vorwürfe erhebt, dann stärkt das die Radikalen und schwächt die Reformer im Iran. So, wie bereits die Einstufung des Iran als einer der Staaten der "Achse des Bösen" vor einem Jahr den Konservativen in die Hand gespielt hatte. Solche Angriffe und Kritik werden von den Iranern kollektiv als Diffamierung oder Bedrohung empfunden und zurückgewiesen.

Und in Syrien dürfte dies kaum anders sein, obwohl sich dort noch keine Reformbewegung herausgebildet hat und die Bevölkerung es gewohnt ist, den Weisungen des Regimes zu folgen. Eine Demokratisierung hat hier noch nicht stattgefunden und sie wird sicher noch lange auf sich warten lassen. In anderen arabischen Ländern könnte bei noch mehr Unmut über den Krieg allerdings doch der Volkswille sich gegen das eine oder andere Regime durchzusetzen versuchen - eine Art von "Demokratisierung" freilich, an die George W. Bush kaum dachte, als er seine Vision von einem besseren und freieren Nahen Osten verbreitete.