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Finanzmarktreform Zwischenbilanz

13. Juli 2010

Beim jüngsten G20-Gipfel ist man beim wichtigsten Thema, der Reform der Finanzmärkte, nur wenig voran gekommen. Doch der Eindruck, es würde für die Banken alles so weiter gehen wie bisher, dieser Eindruck ist falsch.

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Die Krise war teuer: Bald ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandsproduktes - so hat es dieser Tage der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, vorgerechnet – ein Drittel also der weltweiten Wirtschaftsleistung mussten die Steuerzahler dieser Welt hergeben, um eine Depression zu vermeiden. Das habe man, so der oberste Euro-Währungshüter, einmal getan. Ein zweites Mal könne sich die Welt das aber nicht leisten. Und daher müsse alles getan werden, künftige Krisen dieses Ausmaßes zu vermeiden.

Keine Alternative zum billigen Geld

Henrik Böhme, Leiter DW-Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Henrik Böhme, Leiter DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Diese Erkenntnis verdient uneingeschränkte Zustimmung. Sicher darf man geteilter Meinung sein über die Niedrigzins-Politik der Notenbanken, die die Welt seit dem Lehman-Crash vor bald zwei Jahren mit billigem Geld überschwemmen. Denn solch billiges Geld, bedingt durch die rigorose Senkung der Zinssätze durch die US-Notenbank nach den Anschlägen vom 11. September 2001 - war einer der Ausgangspunkte der jüngsten Krise. Aber im Moment fehlt mir die Phantasie für eine Alternative zur Politik des billigen Geldes, will man die sich breit machende konjunkturelle Erholung nicht gleich wieder abwürgen. Denn klar ist auch: Die Krise ist noch nicht vorüber, Rückschläge jederzeit möglich. Die Krise hat nur eine neue Qualität erreicht. Sie versteckt sich in Statistiken, sie lauert hinter Zahlenkolonnen, und ihr größter Nährboden ist der gigantische Schuldenberg, den die Welt aufgetürmt hat.

Stunde der Wahrheit im Herbst

So hat sich die Welt daran gemacht, ein Versprechen einzulösen: Kein Finanzprodukt, kein Akteur und kein Finanzmarkt darf mehr ohne Aufsicht bleiben. Ausgesprochen auf den G20-Gipfeln von London und Pittsburgh im vergangenen Jahr. Vor gut zwei Wochen in Toronto allerdings klang das dann schon wieder etwas bescheidener: Bis dieses Versprechen umgesetzt sei, habe man noch viel zu tun. Die nächste Station der Gipfelstürmer heißt in einem halben Jahr Seoul. Dort soll es dann aber wirklich zum großen Schwur kommen. Die Chancen, dass man dort in Südkorea mehr als nur Sonntagsreden halten wird, stehen für den Moment nicht schlecht.

Vorlage aus Washington

Bald zwei Jahre nach dem Crash der Lehman-Bank wird es langsam ernst mit dem Vorhaben, dem Finanzkapitalismus Zügel anzulegen. Vorerst sind es noch viele Puzzleteile. Doch beim genauen Hinsehen zeichnen sich die Konturen dieser neuen Finanzmarktarchitektur ab. Der größte Baustein kommt bislang aus den Vereinigten Staaten. Sicher hat Obamas großes Gesetzeswerk auf seinem Weg durch die Institutionen jede Menge Federn lassen müssen. Dennoch verfügt zum Beispiel die US-Notenbank demnächst über umfassende Vollmachten, für ein stabiles Finanzsystem zu sorgen – inklusive der Möglichkeit, Transparenz von riskanten Hedge-Fonds einzufordern. Auch wird es ein geordnetes Insolvenzverfahren für notleidende Banken geben.

Kleine Schritte in Europa

In Europa hat man begonnen, die Boni der Bank-Manager einzudampfen. Riskante Spekulationen dürfen bald nicht mehr mit exorbitanten Prämien belohnt werden. Belohnt wird allenfalls noch die Nachhaltigkeit von Investments. Damit verliert – so die Hoffnung - die Zockerei an Attraktivität. Zudem sind neue Regeln für das Eigenkapital von Banken absehbar. Unter dem Stichwort "Basel III" bereitet die federführende Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel einen strengen Anforderungskatalog vor, wie viel Eigenkapital und Liquidität Banken künftig vorhalten müssen. Damit werden die Institute - auch wenn es sie zunächst sicher schmerzt - künftig krisenfester und robuster sein. Ob es dabei gut ist, die Banken zugleich noch mit einer Abgabe für einen Krisenfonds zu belegen, darf bezweifelt werden. Aber das ist eine Sache, die beim Steuerzahler sicher gut ankommt. Schließlich war er es - siehe oben - der so manche Bank mit seinem Geld vor dem Zusammenbruch bewahrt hat.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Zhang Danhong