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Konzert-Engel machen Schule

Corina Kolbe11. Juli 2012

Sie sind Ansprechpartner für Konzertbesucher, betreuen Schüler bei Generalproben und nähen Musikern auch mal einen Knopf ans Hemd: In Berlin sind ehrenamtliche Helfer inzwischen ein vertrauter Anblick.

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Ehrenamtliche Helfer in der Berliner Philharmonie (Foto: Stiftung Berliner Philharmoniker/Peter Adamik)
Bild: Stiftung Berliner Philharmoniker/Peter Adamik

Ehrenamtliches Engagement erfreut sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Dass auch Kulturinstitutionen freiwillige Helfer einsetzen, ist allerdings noch die Ausnahme. Nicht so in Berlin. Dort hat die Rechtsanwältin Gabriele Bühler im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, in der Philharmonie und an der Komischen Oper ein Ehrenamtsprogramm etabliert, von dem alle Seiten profitieren.

Petra Richter-Rose gehört zu einem Team aus mehr als fünfzig Kolleginnen und Kollegen, die tagsüber Besucher durch das Konzerthaus führen und abends das Publikum in Empfang nehmen. Ob sich jemand für ein bestimmtes historisches Detail des Schinkel-Baus interessiert oder auf dem schnellsten Weg zu seinem Platz gelangen möchte – die Ehrenamtlichen haben immer eine Antwort parat. "Am schönsten ist die Betreuung von Schülern, die mit leuchtenden Augen in die Generalproben kommen", sagt Richter-Rose. "Wir Ehrenamtlichen gehen vorher in die Schulen und bereiten die Kinder auf das Erlebnis vor."

Brücken schlagen

Konzert- und Opernhäuser erkennen, dass die hoch motivierten Helfer nicht nur einen zusätzlichen Service bieten, sondern auch Brücken zwischen den Häusern und ihrem Publikum schlagen können.

Konzerthaus am Gendarmenmarkt (Foto: Elzbieta Stasik)
Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt fing alles anBild: DW

Bühler entwickelte die Idee vor Jahren während eines längeren USA-Aufenthalts: "Überall im Kulturbetrieb trifft man dort 'volunteers'. Am "John F. Kennedy Center for the Performing Arts" in Washington sind sogar rund 500 Helfer im Einsatz", erzählt sie. "Dieses Modell wollte ich gern nach Deutschland verpflanzen."

Farbige Halstücher als Erkennungszeichen

Das in der Saison 2003/2004 im Konzerthaus gestartete Projekt wurde vier Jahre später von der Stiftung Berliner Philharmonie übernommen. Und seit Frühjahr 2011 sind Ehrenamtliche außerdem in der Komischen Oper anzutreffen. Für Gäste, die über umstrittene Inszenierungen diskutieren wollen, haben sie stets ein offenes Ohr. In der Philharmonie betreuen die "Konzert-Engel", die an ihren gelben Halstüchern zu erkennen sind, inzwischen auch fast alle Gastkünstler. "Wenn mal ein Hemd verknittert ist oder eine Kopfschmerztablette fehlt, sind die Ehrenamtlichen gleich zur Stelle", berichtet Bühler.

Als Dankeschön gibt es ab und zu einen Blumenstrauß von den Künstlern und Eintrittskarten für die Konzerte, jedoch keine Bezahlung. Für alle Beteiligten sei es die Hauptsache, mit viel Freude dabei zu sein und den Konzertbetrieb ganz aus der Nähe kennen zu lernen, meint die Juristin. Reguläre Arbeitsplätze würden durch den Einsatz nicht eingespart: "Wir bieten einen zusätzlichen Service und wollen damit niemandem Konkurrenz machen."

Gabriele Bühler, Vorstandsvorsitzende des Berliner Fördervereins Zukunft Konzerthaus e. V. Foto: Rosmarie Arndt.
Initiatorin Gabriele BühlerBild: Rosmarie Arndt

Geschulte Engel

Damit das Modell in der Praxis reibungslos funktioniert, werden Interessenten nach einem speziellen Bewerbungsverfahren intensiv geschult. Um in die engere Wahl zu kommen, muss man nicht unbedingt ein Instrument spielen. "Voraussetzung ist die Begeisterung für klassische Musik und für das jeweilige Haus", sagt Bühler. Die meisten Ehrenamtlichen sind im Ruhestand und suchen nach dem Ende ihrer Berufstätigkeit eine Aufgabe, die sie mit anderen Menschen zusammenbringt. Generell steht das Programm aber allen Altersgruppen offen.

Ehrenamtliche Helfer im Konzerthaus Berlin (Foto: Zukunft Konzerthaus e.V./Christine Schroeter)
Ehrenamt macht SpaßBild: Zukunft Konzerthaus e. V./Christine Schroeter

Die Organisatoren haben schnell festgestellt, dass die ehrenamtlichen Helfer ein Spiegel des jeweiligen Publikums sind. In der Philharmonie seien sie in der Regel über 50 Jahre und entsprächen damit dem Altersdurchschnitt der Abonnenten, erklärt der Dramaturg Helge Grünewald, der die Aktiven als Mentor mit betreut. An der Komischen Oper bewerben sich dagegen zunehmend auch jüngere Leute. Gabriele Bühler wünscht sich nun, dass ihr Ehrenamtsprogramm in anderen deutschen Städten ebenfalls auf Interesse stößt. In Berlin zumindest ist schon bald die Zusammenarbeit mit einem Museum geplant.