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Kooperation ist gefragt

Wolter von Tiesenhausen16. März 2003

Der Kanzler hat gesprochen und drastische Reformen der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes angekündigt. Die Richtung könnte stimmen, aber den Worten müssten nun auch Taten folgen, meint Wolter von Tiesenhausen.

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Um Deutschland steht es nicht gut. Der einstige Musterknabe und europäische Klassenprimus ist auf die Hinterbänke abgerutscht. Die Wirtschaft stagniert. Massenarbeitslosigkeit verunsichert die Menschen. Das Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der Politik schwindet. Noch sind die Lichter im Lande nicht ausgegangen, doch sie beginnen bereits bedenklich zu flackern. Bundeskanzler Gerhard Schröder bekam das zu spüren, als innerhalb von Wochen nach seinem knappen Wahlsieg im vergangenen Herbst die Umfragenmehrheiten zerfielen. Die nachfolgenden Regionalwahlen in Hessen und Niedersachsen bescherten seiner sozialdemokratischen Partei dramatische Niederlangen.

Die Zeit drängt also, das Steuer herumzureißen, neue Ziele aufzuzeigen und Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat dies nach wochenlanger propagandistischer Vorbereitung mit seiner Regierungserklärung unter der Überschrift "Mut zum Frieden - Mut zur Veränderung" versucht. Kurz gefasst lautet seine Botschaft: mit staatlich verbilligten Krediten wird ein Investitionsprogramm aufgelegt. Die sozialen Sicherungssysteme werden durch Leistungsverzicht und private Zuzahlung entlastet. Entbürokratisierung und Flexibilisierung der Tarifverträge soll die Schaffung neuer Arbeitsplätze erleichtern.

Das klingt gut und zeigt in die richtige Richtung. Doch der eigentliche Grund für die miserable Lage der deutschen Wirtschaft ist nicht der Mangel an finanzielle Mitteln, sondern der Mangel an Vertrauen. Die Menschen bringen ihr Geld lieber auf ihr Sparkonto, als es zu investieren. Sie misstrauen der Politik, die bisher nur die Lage beschreibt, aber nichts tut, um sie zu verändern. Deshalb nützen die wohl formulierten Worte des Kanzlers nichts, wenn ihr nicht Taten folgen. Dass aber wird vor dem Hintergrund der Mehrheiten im Bundestag und dem Bundesrat nur möglich sein, wenn es Schröder gelingt, auch die christdemokratische Opposition mit ins Reformboot zu ziehen.

Kooperation ist gefragt, nicht länger Konfrontation. Wenn der Kanzler der Union nicht entgegenkommt, wird diese keinen Grund sehen, ihm aus seiner weitgehend selbst geschaffenen Isolation herauszuhelfen. Vom Regierungschef erfordert das die Bereitschaft, Streit in den eigenen Reihen in Kauf zu nehmen. Nur in Ansätzen ließ Schröder erkennen, dass er dazu bereit seien könnte. Seine einschränkende Aussage über die Gültigkeit von Flächentarifverträge relativierte er mit dem drohenden Hinweis an die Arbeitgeber, notfalls eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen. Das ist zu wenig, um Deutschland zu neuen Ufern zu führen. Mut zur Veränderung brauchen nicht nur die Menschen in Deutschland. Solchen Mut braucht allen voran der Kanzler selber.