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Kopf-an-Kopf-Rennen in Italien

10. April 2006

Hochspannung in Italien: Nachdem etliche Stunden Romano Prodi vorne schien, ist seit dem späten Abend der Wahlausgang wieder völlig offen. Die Auszählung dauert an.

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Bild: AP

Nach Angaben des Nexus-Institutes liegt das Mitte-Rechts-Bündnis von Ministerpräsident Silvio Berlusconi in der Abgeordnetenkammer bei 49,9 Prozent, Prodis Allianz kommt auf 49,6 Prozent. Im Senat habe Mitte-Rechts 158 Sitze, sieben mehr als Mitte-Links. Um in Italien zu regieren, werden Mehrheiten in beiden Kammern benötigt. Berlusconi und Prodi wollen sich erst nach Vorliegen gesicherter Ergebnisse äußern.

Stundenlang schien festzustehen, dass die Italiener ihrem umstrittenen Ministerpräsidenten Berlusconi bei den Parlamentswahlen den Laufpass gegeben haben. Deutlich über 50 Prozent der Stimmen in beiden Parlamentskammern sprachen die Prognosen dem Herausforderer Prodi zu. Fünf Stunden nach Schließung der Wahllokale sollte dann plötzlich alles nicht mehr wahr gewesen sein.

Entscheidung im Morgengrauen

"Die Freudenschreie bleiben im Halse stecken", schrieb da etwa die Nachrichtenagentur Ansa über eine "Siegesfeier" in Prodis Heimatstadt Bologna. Der Topmann des Mitte-Links-Bündnis war mittlerweile zwar schon längst nach Rom gefahren, um da die Huldigungen des Wahlvolkes entgegenzunehmen - blieb dann aber doch bis weit in die Nacht vorsichtshalber gut bewacht im Hauptquartier seines "Unione"-Bündnisses. Die betretenen Gesichter der Anhänger wollte er erst gar nicht sehen.

Parlamentswahlen in Italien - Silvio Berlusconi bei der Stimmabgabe
Silvio Berlusconi bei der Stimmabgabe am Sonntag (9.4.2006)Bild: picture-alliance/dpa

Kommunistenchef Fausto Bertinotti hatte schon vom "Ende der Ära Berlusconi" gesprochen. Ob das richtig oder falsch ist, wird man wohl erst im römischen Morgengrauen wahrheitsgemäß beantworten können.

EU-freundlicher Prodi

Dem aktuellen Urnengang war ein hitziger und skandalträchtiger Wahlkampf vorausgegangen, in dem Berlusconi seinen Herausforderer wortgewaltig angriff und dessen Wähler zuletzt vulgär beschimpfte. Der international anerkannte Wirtschaftsexperte Prodi hatte sich hingegen ruhiger und gemäßigter gezeigt. Der Parteilose gilt im Gegensatz zum engen US-Verbündeten Berlusconi als sehr EU-freundlich. Berlusconi - dem reichsten Mann Italiens - hatte Prodi vorgeworfen, die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht zu haben.

Kursverluste für Berlusconi-Unternehmen

Der Aktienkurs des italienischen Fernsehkonzerns Mediaset war wegen der sich angenommenen Wahlniederlage seines wichtigsten Aktionärs, Ministerpräsident Silvio Berlusconi, gefallen. Der Kurs verlor 1,4 Prozent, nachdem erste Nachwahlbefragungen einen Regierungswechsel vorhergesagt hatten. Damit bewegte sich die Mediaset-Aktie gegen das Marktumfeld an der Mailänder Börse, die nach oben tendierte. Berlusconis Familie hält 38 Prozent an Mediaset.

Raus aus Irak

Außenpolitisch halten Experten unter einer Prodi-Regierung eine Abkühlung der Beziehungen Italiens zu den USA für möglich. Zwar werde Prodi keine 180-Grad-Drehung in der Außenpolitik vollziehen, aber der frühere Präsident der Europäischen Kommission werde Europa wieder oberste Priorität auch vor den USA einräumen. Er hat bereits einen Abzug der italienischen Soldaten aus dem Irak in Aussicht gestellt.

Politische Laufbahn

Der Parteilose Prodi sammelte Ende der siebziger Jahre erste politische Erfahrungen als Industrieminister unter Giulio Andreotti. Danach verschaffte er sich Anerkennung als Sanierer der Staatsholding IRI. Als erstem in der Nachkriegsgeschichte Italiens gelang ihm zudem die Bildung einer Regierung linker Kräfte: Als Ministerpräsident machte er das Land von 1996 bis 1998 fit für den Euro.

Prodi scheiterte schließlich an Konflikten mit den Kommunisten (PRC), die nun wieder zu seinen Verbündeten gehören. Nach dem Sturz seiner Regierung ging Prodi als Präsident der Europäischen Kommission für fünf Jahre nach Brüssel. Im Mai 2001 trat seine Koalition - diesmal geführt von Francesco Rutelli - gegen Berlusconi an und unterlag. Nach seiner Rückkehr aus Brüssel forderte Prodi, dass sich die Mitte-links-Opposition vereint, um den Kampf gegen Berlusconi aufzunehmen. 2005 wurde er bei den ersten Vorwahlen in der italienischen Geschichte zum Spitzenkandidaten gekürt, um den Medienmogul ein zweites Mal aus dem Amt zu vertreiben. (sams/mas)