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Korrupte an den Pranger!

Stephan Hille 2. Juli 2003

Gerade erst hat sich die Duma, das russische Unterhaus, in den politischen Sommerurlaub verabschiedet, da platzte eine politische Bombe - welche, erklärt Stephan Hille.

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Sieben ranghohe russische Offiziere von Polizei und dem Katastrophenschutzministerium wurden medienwirksam vor laufenden Fernsehkameras verhaftet. Die Beamten aus der als elitär geltenden Moskauer Kriminalpolizei stehen in dringendem Verdacht, in großem Stil über Jahre Schutzgelder von Unternehmern, Restaurantbesitzern und Casinobetreibern erpresst zu haben. Zu den Verhafteten zählt ausgerechnet auch der Polizeioberst, der die Ermittlungen nach den Terroranschlägen der vergangenen Jahre führte: dem Geiseldrama im Moskauer Musical "Nord-Ost" im Herbst vergangenen Jahres sowie den Bombenanschlägen auf Moskauer Wohnhäuser 1999.

Die Verhaftungen sind ein handfester Skandal, der bis in die obersten Spitzen des Innenministeriums reicht und sicher noch weitere Kreise ziehen wird. An der Spitze des Innenministeriums steht der bislang farblose Minister Boris Gryslow, ein Gewächs aus Präsident Putins St. Petersburger Polit-Biotop. Vollmundig kündigte Gryslow den "Werwölfen in Uniform" einen erbarmungslosen Kampf an. Nun sind Korruption und krumme Geschäfte im Beamtenapparat, der Miliz und dem Militär ein altbekanntes Phänomen. Allein 2001 wurden Ermittlungsverfahren gegen 21.000 Polizisten eingeleitet. Selbst wenn gelegentlich auch ein Minister über eigennützige Geldgeschäfte stolpert, - in Putins Präsidentschaft mussten bereits der Eisenbahnminister und der Atomminister ihre Hüte nehmen -, überrascht das in Russland niemanden.

Hinter der Tatsache, dass zu Beginn der Sommerpause sechs Monate vor den Parlamentswahlen vor den bestellten Fernsehkameras ein Ring der "Miliz-Mafia" ausgehoben wird und hohe Offiziere in Handschellen gelegt wurden, wittern politische Beobachter eher einen PR-Versuch des Kremls. Schließlich ist Innenminister Boris Gryslow zugleich auch Vorsitzender der Kreml-nahen Partei "Geeintes Russland". Bislang liegt die Partei in den Umfragen bei 20 Prozent und gleich auf mit den Kommunisten. Daher kann ein bisschen öffentlichkeitswirksame Aktivität nicht schaden. Und der Kampf gegen Banditen aller Art ist in Russland immer noch populär. Bei den letzten Parlamentswahlen 1999 bescherte der gerade begonnene zweite Tschetschenienkrieg der frisch gegründeten Partei des Kremls überraschende Popularität: Aus dem Stand wurde sie nach den Kommunisten zweitstärkste Fraktion in der Duma.