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Korruption auf Koreanisch

Sonja Lindenberg28. April 2006

Der jüngste Korruptionsskandal in Südkorea könnte das Management der alten Familienunternehmen transparenter machen. Denn vor allem die Bevölkerung erwartet eine gute Unternehmensführung und keinen Machtmissbrauch.

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Hyundai: Schmiergeldzahlungen an die Regierung?Bild: AP

Er hat sich bereits vor laufenden Fernsehkameras bei der südkoreanischen Bevölkerung dafür entschuldigt, dass er Firmengelder veruntreut und Politiker bestochen haben soll: der Chef des Autokonzerns Hyundai, Chung Mong Koo. Am Freitag (28.04.2006) soll nun ein Gericht darüber entscheiden, ob gegen ihn ein Haftbefehl erlassen wird.

Südkorea Hyundai Chung Mong-koo
Hyundai-Chef Chung Mong KooBild: AP

Auch gegen Chungs Sohn und Chef der Hyundai-Tochter Kia Motors, Chung Eui-sun, soll Anklage erhoben werden. Zusammen sollen sie einen Geheimfonds gebildet haben und dafür Unternehmenensgelder von umgerechnet 85 Millionen Euro abgezweigt haben. Damit sollen Politiker und Regierungsbeamte bestochen worden sein. Die öffentliche Entschuldigung wirkt wie ein Schuldeingeständnis und "dient aber auch dazu, Schaden vom Unternehmen abzuwenden", sagt Hanns Günther Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Familienklüngel mit politischer Macht

Der Grund: Hyundai Motor ist die zweitgrößte Unternehmensgruppe in Südkorea. Die 1949 gegründete Hyundai-Group konkurriert inzwischen auf globaler Ebene, nur die Samsung-Gruppe ist noch größer. Beide Gruppen sind wichtig für Südkoreas Image in der Welt. Die stark hierachisch organisierten und familienkontrollierten Mischkonzerne, die so genannten Cheabols, haben auch stark zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beigetragen, sagt Patrick Köllner vom Institut für Asienkunde in Hamburg. "Deshalb haben diese Unternehmen auch große politische Macht und Einfluss", sagt Hilpert. Hyundai Motor liefert zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukt und bietet elf Prozent der Arbeitsplätze. Dagegen mangelt es dem Land immer noch an klein- und mittelständischen Unternehmen.

Instrument staatlicher Politik

Südkorea Hyundai Logo und Auto
In Deutschland ist Hyundai vor allem für Autos bekanntBild: AP

Die Hyundai-Gruppe, ursprünglich ein Bauunternehmen, wuchs in wenigen Jahrzehnten zu einem großen Unternehmen heran. Der Konzern gründete in schneller Folge neue Firmen, in den Bereichen Anlagen-, Schwermaschinen-, Schiff- und Schiffsmotorenbau, Möbel, Elektrotechnik, Elektronik und Fahrzeugbau sowie Versicherung. Im Zuge der Asienkrise 1997/98 wurden Firmen wie Hyundai oder Samsung aber auch zu einem Instrument staatlicher Politik: Dafür dass die Konzerne für Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum sorgten, wurden sie mit Krediten ausgestattet: Dass die Geschäfte hier nicht immer ganz legal zugingen, sei dabei auch mal großzügig übersehen worden, "zumindest solange die Cheabols im Einklang mit den Staatszielen standen, das Bruttosozialprodukt und die Exporte gesteigert wurden", sagt Köllner.

Gesellschaft erwartet ehrliche Konzernchefs

Inzwischen hat sich das aber geändert: Das Ansehen der Familienbosse in der Gesellschaft bröckelt. Finanzielle Vergehen werden nicht mehr hingenommen. "Die Bevölkerung erwartet gerade von ihnen ein demokratisches und vorbildliches Verhalten", weiß Köllner. Die Erwartung der Öffentlichkeit an eine Wirtschafts-Ethik seien mit dem Aufstieg der Zivilgesellschaft im Land gestiegen. "Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen kämpfen jetzt gegen die Machenschaften in den Cheabols und fordern eine stärkere Beteiligung auch kleinerer Aktionäre", sagt Köllner. Die Unternehmensbosse seien aber immer noch in tradierten Handlungsmustern gefangen.

Wenn Firmen sich entschuldigen

Hyundai kündigte derweil an, Chung und sein Sohn wollten eine große Geldsumme aus ihrem Privatvermögen für wohltätige Zwecke spenden. Diese Form der Buße scheint in Südkorea gar nicht so unüblich zu sein. "In der Vergangenheit wurden solche Angebote schon mal akzeptiert", sagt Köllner. "Öfters haben die Unternehmen dann auch den Forderungen nachgegeben und versprochen einen Teil ihrer Aktien abzugeben". Auch die größte Unternehmensgruppe Südkoreas, Samsung, soll auf Korruptionsvorwürfe schon solche Zahlungen geleistet haben.

Der Druck wächst

Südkorea Roh Moo-hyun Präsident
Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun: kann er die Korruption eindämmen?Bild: AP

Die Staatsanwaltschaft hat weitere Haftbefehle gegen Hyundai-Manager bisher nicht ausgeschlossen. Bereits Ende März waren der Generaldirektor und der Finanzchef einer Hyundai-Filliale festgenommen worden. Sie sollen Millionen Dollar an einen Lobbyisten gezahlt haben. Das verschärft den Druck: Die Regeln guter Unternehmensführung, der Corporate Governance, werden daher auch koreanische Unternehmen wie Hyundai nicht mehr lange ignorieren können, denkt Köllner. "Gerade solche Vorfälle stärken die Entwicklung zu transparenteren Strukturen, in denen vermehrt Rechenschaft abgelegt werden muss." Doch auch das wird seiner Meinung nach nicht ausreichen: Die alten Bosse müssten sich aus den Unternehmen zurück ziehen. Nur so seien globalere Standards zu erreichen, die Anteilseignern im Inn- und Ausland entsprächen.

Politik ist gefordert

Südkorea Samsung Logo vor Hauptzentrale in Seoul
Samsung ist Südkoreas größtes KonglomeratBild: AP

Für Hanns Günther Hilpert sind es weniger die Unternehmen, die sich ändern müssen, als vielmehr die Politik. "Verwaltung und Regierung müssten hier mehr durchgreifen", sagt er. Großunternehmen wie Hyundai und Samsung hätten zwar eine große Verantwortung, aber auch eine große politische Macht und die gelte es zu kontrollieren. "Die Grauzone ist noch sehr groß." Dabei sei die Korruption auch ein kulturelles Problem: In alten konfuzianischen Kulturen halten Beziehungen lange und frühere Bindungen werden gepflegt, der Austausch von kleinen Gefälligkeiten sei ganz normal. "Nicht selten werden dann aber auch große Geldmengen gezahlt."