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Korruption in Tschechien auf dem Vormarsch

15. November 2001

Aktionsplan "Saubere Hände" von Regierungschef Zeman ist erfolglos geblieben.

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Prag, 15.11.2001, Prager Zeitung, deutsch

Die tschechische Regierung kann nun auch die Europäische Kommission verklagen. Die kritisiert in ihrem neuesten Fortschrittsbericht (...) nämlich genau das, worauf auch die Wochenzeitung "Respekt" hingewiesen hatte. Brüssel geht in der Kritik sogar noch weiter: In Tschechien gäbe es Korruption, Undurchsichtigkeit bei der Vergabe staatlicher Aufträge, Betrug, Geldwäsche, nicht zu vergessen die lokale Spezialität der "Untertunnelung."

Im Unterschied zu dem Respekt-Artikel macht Brüssel keine Einzelpersonen für diesen traurigen Zustand verantwortlich. Der Bericht der EU-Kommission sagt aber auch klar aus: Die Kampagne "Saubere Hände" ist gescheitert. Das sei "ein ernsthaftes und beunruhigendes Problem" urteilt Europa.

"Die Regierung Zeman hat den Kampf gegen die Korruption verloren", urteilte "Respekt." Und wurde dafür von der Regierung Zeman mit einer millionenschweren Klage überzogen. Die Kritik der Europäischen Kommission scheint man im Regierungsamt an der Moldau allerdings anders aufzunehmen als die von einheimischen Journalisten.

Im Grunde genommen sei der Jahresbericht positiv ausgefallen, freute sich zum Beispiel der tschechische EU-Unterhändler und Vize-Außenminister Pavel Telicka. Das Problem der Korruption existiere hier eben genauso wie bei anderen EU-Anwärtern. Ein Argument, das hinkt. Im diesjährigen Globalen Bericht der Agentur Transparency International über den Erfolg einzelner Länder im Kampf gegen die Korruption rangierte die Tschechische Republik auf Rang 47. Immerhin punktgleich mit Bulgarien, das vielleicht irgendwann einmal auf einen möglichen EU-Beitritt hoffen darf.

Von der direkten Konkurrenz, das heißt den anderen drei Visegrad-Staaten, schneidet in dem Bericht nur die Slowakei auf Platz 51 schlechter ab. Polen und Ungarn, die Rang 44 beziehungsweise 31 einnehmen, scheinen Tschechien in dieser Hinsicht doch einen kleinen Schritt voraus zu sein.

Und Telicka missversteht die Zielrichtung des EU-Berichts: Dessen Idee ist nicht der Ländervergleich. Vielmehr geht es um ein Urteil über die Entwicklung innerhalb der einzelnen Kandidatenländer. Und da sieht es im Vergleich zu den Vorjahren in Tschechien bei der Frage der Korruptionsbekämpfung düster aus. Seit Beginn der von den Bürgerlichen Demokraten tolerierten sozialdemokratischen Minderheitsregierung ist Tschechien auf der Transparency-International-Leiter um ganze 20 Sprossen nach unten gerutscht.

Befand sich die Republik 1997 weltweit noch unter den dreißig Ländern, deren Kampf gegen die Korruption als erfolgreich eingeordnet wurde (damals lag sie auf Platz 27), ging es dann bergab: 1998 - Rang 37, 1999 - Rang 39, 2000 - Rang 42, 2001 - Rang 47.

Das Urteil, die Regierung Zeman habe den Kampf gegen die Korruption verloren, scheint also berechtigt. Legitim ist die Frage nach den Gründen für diese Niederlage. Die von der Wochenzeitung "Respekt" geäußerte These, einzelne Minister würden durch ihr Verhalten ein korruptes Umfeld erst ermöglichen, scheint zutreffend. Allerdings erfasst sie nicht die gesamte Bandbreite der Ursachen. Das Problem der Korruption reduziert sie auf die politische Elite des Landes. Es existiert aber auf jeder gesellschaftlichen Ebene, und wird oft auch toleriert. Sie völlig ausmerzen zu wollen, gehört allerdings ins Reich der Wunschträume. Schließlich hat auch Brüssel seine Korruptionsskandale. (...) (ykk)