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Korruptionsskandale belasten die EU-Kommission

Detlev Karg18. Oktober 2003

Korruptionsvorwürfe gegen EU-Beamte gab es schon häufig. 1999 trat eine komplette EU-Kommission deshalb zurück. Die Behörde Eurostat leidet seit Monaten unter einem Bestechungsskandal. Jetzt gibt es einen weiteren Fall.

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Überrascht: Korruption in der Abteilung von Franz FischlerBild: AP

Im Visier der Fahnder steht mittlerweile auch die Landwirtschaftsbehörde unter Kommissar Franz Fischler (Österreich). Am Mittwoch (15.10.2003) war sie Ziel einer groß angelegten und von langer Hand vorbereiteten Razzia, an der mehr als hundert Polizisten und Staatsanwälte in Brüssel, Paris und Rotterdam beteiligt waren. Die belgische Staatsanwaltschaft wirft einem EU-Mitarbeiter aus den Niederlanden vor, Agrarunternehmen über bevorstehende Preisveränderungen für Getreide informiert zu haben. Die Polizei hatte am gleichen Tag Büros der EU und von Unternehmen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden durchsucht. Die Staatsanwaltschaft in Brüssel hatte zuvor einen Hinweis von der EU-Antikorruptionsbehörde (Olaf) erhalten, die für die interne Bekämpfung von Korruption zuständig ist. Die Ermittlungen laufen seit über einem Jahr. Es sei ein "großer Fall", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Brüssel. Der festgenommene EU-Mitarbeiter arbeitet als Assistent in der EU-Landwirtschaftsbehörde. Die weiteren Verdächtigen sitzen in Belgien und Frankreich in Haft.

Vom Agrartopf etwas abzwacken

Die Subventionitis im Agrarbereich lädt anscheinend zu solchen Vergehen ein. Die Preise und Mengen in Europa unterliegen nicht dem freien Wettbewerb, um die heimischen Bauern zu schützen. Viel Geld fließt, um Preise zu stabilisieren, Überschüsse zu vernichten oder einzulagern.

Das Landwirtschaftsressort von Agrarkommissar Franz Fischler verwaltet derzeit 45 Milliarden Euro im Jahr. Das ist die Hälfte des gesamten EU-Haushalts. Bezahlt werden damit unter anderem Orangenberge auf Kreta und Butterberge in Kühlhäusern. Jedes EU-Land hat sein Interesse in bestimmten Agrarsektoren. Frankreich als größter Agrarproduzent mit seiner aggressiven Bauernlobby steht ganz vorne auf der Liste der Rufer nach Agrarsubventionen. So nimmt es in diesem speziellen Fall vielleicht nicht wunder, dass die Verdächtigen aus der Industrie sämtlich in Frankreich sowie in einem französischen Unternehmen in Belgien verhaftet wurden.

Marktvorteile dank erschlichener Informationen

Noch sind nicht alle Daten ausgewertet worden, doch es scheint sicher, dass Schmiergelder flossen. Hintergrund der Korruptionsaffäre: Die EU führt überschüssiges Getreide aus. Dieses ist natürlich teurer als auf dem Weltmarkt. Per Subvention wird es billiger gemacht, auf dass es verkäuflich ist. Hier liegt ein möglicher Ansatzpunkt: Wer sich vorher über die Subventionen und festgelegten Preise schlau macht, kann für sein Getreide einen etwas höheren Preis ansetzen – die EU wird dann mehr subventionieren, das Geld fließt in die eigene Tasche. Insidergeschäfte lassen sich natürlich auch mit anderen Informationen machen. Wenn klar ist, zu welchem Preis die EU Getreide auf den Weltmarkt wirft, lassen sich damit natürlich Preisentwicklungen vorhersehen. Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, gab die Olaf-Behörde bisher nicht alle Details preis.

Nicht das erste Mal

Die Brüsseler Bürokratie bietet viele kriminelle Ansatzpunkte. So ist seit einigen Monaten die EU-Statistikbehörde Eurostat Mittelpunkt eines Betrugsskandals. Einige Beamte der Behörde hatten den bisherigen Erkenntnissen zufolge über fingierte Rechnungen an Fremdfirmen schwarze Kassen angelegt. Was genau mit dem Geld geschah, ist unklar. Berichten zufolge wurde es für Abendessen, Reisen und Freizeitvergnügungen ausgegeben. Der entstandene Gesamtschaden betrug rund fünf Millionen Euro.