1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

150 Jahre Unterwäsche im Museum

Heike Mund9. April 2015

Früher hießen sie "Unterkleider" - das französische Wort "Dessous" ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Eine Ausstellung präsentiert spitzenmäßige Kulturgeschichte(n) rund um historische Wäschestücke.

https://p.dw.com/p/1F53s
Büstenhalter in unterschiedlichen Farben
Bild: picture-alliance/dpa

Das aktuellste Wäschestück ist ein "'Bondage-Body' aus der neuen Wäschekollektion 'Fifty Shades of Grey'", berichtet Kuratorin Claudia Gottfried. Ein Objekt unserer Zeit, wobei es reine Vereinbarung und natürlich auch vom kulturellen Hintergrund abhängig sei, sagt sie im DW-Interview, ob jemand so ein Wäschestück erotisch oder eher langweilig findet. Mehr als 250 ausgesprochen reizvolle Original-Wäschestücke sind derzeit im LVR-Industriemuseum in Engelskirchen in einer Ausstellung zu sehen: Krinolinen und Stangen-Korsetts, panzerartige Mieder und Spitztüten-BHs genauso wie moderne String-Tangas und Wonderbras.



Die Gefühle, die die jeweils weiblichen und männlichen Träger zu ihrer Unterwäsche entwickelten, sind schon seit 100 Jahren höchst unterschiedlich: Frauen lieben es, wechselnde Unterwäsche ihrer jeweiligen Stimmung anzupassen, Männer sind dagegen eher konservativ. "Männer entscheiden sich einmal in ihrem Leben für einen Unterhosentyp und dabei bleiben sie für den Rest ihres Lebens", erzählt die Kulturwissenschaftlerin Claudia Gottfried.

Bevor es die erste Unterwäsche gab, wurde unter den Röcken und Kleidern einfach nichts getragen. "Frauen haben lediglich ein langes Unterhemd angezogen. Und das wars. Eine klassische Unterhose gab es noch nicht", sagt Gottfried. Die Männer knoteten ihr Hemd zwischen den Beinen und zogen ihre Hose darüber. Nur von dem Kurfürst von Sachsen, August dem Starken, ist überliefert, dass er sich spezielle Unterhosen hat anfertigen lassen. Erst um 1900 begann die Unterwäsche dann zu einem üblichen Kleidungsstück zu werden.

Die Unaussprechlichen
Die erste Damen-Unterwäsche bestand noch aus zwei seperaten "Beinlingen", im Schritt offen, damit sie nichts mit einer männlichen Hose zu tun hatten. Das galt als verpönt, hatte aber schon eine gewisse erotische Komponente. "Man muss nicht denken, dass das nicht als erotisch wahrgenommen wurde zu dieser Zeit. Auch diese Kleidungsstücke haben die Phantasie der Männer befeuert. Dieses Geräusch der aneinander reibenden Wäsche, dass sogenannte 'Froufrou', war eine verheißungsvolle Andeutung."
Auch die Wäschestücke der einfachen Leute waren mit Spitze oder kunstvoll bestickten Bordüren versehen. "Das unterscheidet sich nur vom Ausgangsmaterial des Stoffes her", erklärt Kuratorin Claudia Gottfried. "Der ist dann grober oder derbe. Bei den Reichen ist er feiner und manchmal aus Seide. Aber die Ausstaffierung mit Spitze, das haben alle damals gemacht." Auch Strümpfe und Strumpfhalter gehörten damals zur Unterwäsche dazu. Erst Anfang des 20. Jahrhundert verschiebt sich deren Bedeutung, als die Röcke erstmal kürzer wurden.

Wespentaille als Frauenideal
Jede Zeit hatte ihr eigenes Körperideal, das mit der Unterwäsche auch entsprechend modelliert wurde, das ist in dieser Ausstellung zu sehen. Im 19. Jahrhundert gab es eine Konzentration auf die besonders schmale Taille bei den Damen, erläutert die Kuratorin. "Das Ideal war, dass zwei Männerhände diese Taille umfassen sollten. Da sind wir bei 46 Zentimeter Taillenumfang angekommen."
Diese Wespentaille wurde durch die Korsettschnürung überhaupt erst möglich.

Ein extrem ungesundes Ideal, das gleichzeitig zu einer starken Betonung von Hüfte und Brust führte – und zu mancher weiblichen Ohnmacht. In den wilden Zwanziger Jahren mit Bubikopf-Frisuren und Charleston-Mode kehrt sich das Ganze um: ein androgynes Körperideal wird modern. "Die Brust wird platt gedrückt, die Taille – auch bei den Kleidern – wandert nach unten. Die Körperformen werden eher sackartig." Als Unterwäsche spielt der seidene Unterrock in dieser Zeit ein große Rolle.

Wer schön sein wollte, musste leiden

In den 50er Jahren bekommt die schmale Taille der Frauen eine Neuauflage: unter den weit schwingenden Pettycoat-Kleidern, die der Pariser Modeschöpfer Dior erfunden hat, sorgen knallenge Miederhöschen und spitztütige Büstenhalter für kurvenreiche Betonung der neuen Weiblichkeit. Der Werbespruch einer bekannten Miederwäschefirma "Mein Playtex bringt mich noch um...", sorgte zwar für Heiterkeit, war aber wahr. In diesen extrem figurbetonten engen Kleidern konnte sich eine Frau nicht mal hinsetzen, ohne dass ihr die Luft wegblieb. Männer blieben bei bequemer Unterhose mit fein geripptem Unterhemd.

"Davon setzte sich in den 60er Jahren die Frauenbewegung natürlich stark ab. Der BH wird zum Inbegriff des Spießigen, Rückwärtsgewandten", sagt Claudia Gottfried. Der Schlabberlook wird modern, weite Latzhosen im Unisex-Modus verwischen die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Körperformen. Die Unterwäschemode passt sich an: Auch Frauen tragen jetzt sportlichen Feinripp, allerdings farbig. "BHs wurden als Symbol normierter Weiblichkeit sogar öffentlich verbrannt."

Unterhosenkauf ist Frauensache

Flash-Galerie Deutschland Ratingen Ausstellung Dessous
Bild: DW
Flash-Galerie Deutschland Ratingen Ausstellung Dessous
Bild: DW
Flash-Galerie Deutschland Ratingen Ausstellung Dessous
Bild: DW

In den 80er Jahren wurde diese Entwicklung wieder zurückgedreht. Das Thema der Frauen hieß: "Dress for Sucess". Karrierefrauen, die unter ihrem schlicht-grauen Business-Kostüm die heißesten Dessous trugen, tauchten auf einmal als Frauentyp in Filmen und in der Literatur auf. "Die konnten selbstbewußt von sich sagen: wir können erfolgreich sein und trotzdem sexy", erklärt Kuratorin Gottfried. Die Unterwäsche-Mode trug dem Rechnung, Reizwäsche war jetzt auch in der Wäscheabteilung im Kaufhaus zu haben. Enge Bodys und Oberweite betonende Wonderbras und Push-Up-BHs sind zu der Zeit wichtige modische Accessoires.

Männer sind von solchen Modefaktoren nicht so abhängig. Frauen sehen sich, auch in Bezug auf ihre Unterwäsche, viel stärker als Spiegel der Gesellschaft, das bringt diese Ausstellung zu Tage. Erst in den vergangenen Jahren hat auch das Körperbewusstsein der Männer zugenommen: die Auswahl an attraktiver Unterwäsche kann mit der in der Frauenabteilung mittlerweile konkurrieren. Allerdings sind dort häufig Frauen beim Einkauf der Herrenwäsche zu finden. "Nach wie vor sind Frauen, auch schon mal die Freundin, Mutter oder die Schwester, für den Erwerb der Unterhosen zuständig. Das ist nach wie vor so", lacht Claudia Gottfried.

Flash-Galerie Deutschland Ratingen Ausstellung Dessous
Bild: DW