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Kosovo-Status: Umstrittener Parlamentsbeschluss in Belgrad

14. September 2006

Serbiens Parlamentarier wollen, dass Kosovo in der neuen Staatsverfassung als Teil Serbiens bezeichnet wird. Kosovo-Albaner halten diese Forderung angesichts der laufenden Statusverhandlungen für unseriös.

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Serbische Provinz Kosovo?Bild: picture-alliance/ dpa

Das Parlament Serbiens hat auf einer außerordentlichen Sitzung den Bericht über die Arbeit des staatlichen Kosovo-Verhandlungsteams gebilligt. Ferner fordert es in einer Resolution, dass die neue Verfassung Serbiens baldmöglichst verabschiedet wird. In der neuen Verfassung Serbiens soll Kosovo und Metohija (so die serbische Bezeichnung für diese Region) demnach als "fester Bestandteil der souveränen und demokratischen Republik Serbien" mit einer essentiellen Autonomie definiert. Damit würden sich alle Staatsorgane dazu verpflichten, die Interessen Serbiens in Kosovo und Metohija in allen innen- und außenpolitischen Beziehungen zu vertreten und zu schützen.

Während der Debatte nahm Präsident Boris Tadic Stellung zum aktuellen Verlauf der Verhandlungen über den Kosovo-Status. Auf die Frage, wie die internationale Gemeinschaft auf diesen Schritt der serbischen Regierung reagieren werde, sagte Tadic: "In der internationalen Politik gibt es Regeln: Man sagt öffentlich, was man zu tun gedenkt. Das haben wir auch getan. Wir haben es heute der Welt offen mitgeteilt." Er habe bei seinem USA-Besuch kürzlich auch schon offen gesagt, dass er die Souveränität und territoriale Integrität seines Landes verteidigen werde, auch wenn ihm andere Positionen dargelegt worden seien – in demokratischen Diskussionen. Tadic zufolge ist Demokratie, "wenn Sie das Recht auf verschiedene Herangehensweisen haben, ihren Standpunkt aber auch verteidigen können."

Serbiens Präsident bekräftigt Friedenswillen

Die Vorschläge der Regierung und die Arbeit des Verhandlungsteams stießen zwar auf die Zustimmung fast aller Abgeordneten. Oppositionsvertreter schlugen allerdings radikalere Maßnahmen vor wie den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit den Staaten, die eine Unabhängigkeit des Kosovo befürworten. Solche Maßnahmen wies Präsident Tadic jedoch entschieden zurück, weil ihm zufolge solche Ideen keinen Platz in der serbischen Politik hätten. "Serbien möchte keinen Krieg führen, Serbien möchte Frieden, und zwar dauerhaften Frieden. Serbien kann nur auf diese Weise seine Interessen in Kosovo und Metohija schützen", so Tadic. "Der Staat Serbien ist eine legitime Demokratie, die die besten Beziehungen zu den Großmächten haben möchte und auf diese Weise für seine Bürger sorgt ebenso wie für die in der Region", so Serbiens Präsident.

Belgrad will internationales Interesse wecken

Tadic unterstrich ferner, dass die internationale Gemeinschaft trotz zahlreicher Gerüchte noch nicht endgültig über den künftigen Status des Kosovo entschieden habe. "Wir kommen in eine besondere Phase der Verhandlungen. Im Augenblick kann ich noch nicht sagen, ob es die Schlussphase ist oder nicht. Sie könnte zur Schlussphase werden." Dies hinge aber vor allem von den Mitgliedern der Kontaktgruppe ab. "Sie stehen im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit. Nicht nur die USA und Russland, sondern alle Mitglieder der Kontaktgruppe. Ich weise auch auf die besondere Bedeutung Deutschlands hin, das nun den KFOR-Oberbefehlshaber, den Chef der zivilen UN-Mission UNMIK stellt und den EU-Ratsvorsitz übernimmt. Auch in Europa wird Deutschland in den kommenden Monaten einen wichtigen Platz einnehmen. Wir müssen unsere Interessen in all diesen Ländern verteidigen, aber auch dafür sorgen, dass sie sich für unser Land interessieren", erklärte Boris Tadic.

Vorwurf mangelnder Seriosität aus Pristina

Politische Führer und Verfassungsexperten des Kosovo erklärten, dass die jüngste Resolution des serbischen Parlaments, in der die Gesetzgeber verlangen, dass die neue Verfassung von Serbien Kosovo explizit als Teil des Staates nennt, keinerlei juristischen Bestand habe. Vertreter der Behörden in Pristina betrachten die Entscheidungen und Handlungen des serbischen Parlaments in Bezug auf die Zukunft des Kosovo als unseriös – besonders angesichts der derzeit intensiv laufenden Verhandlungen über den Status der Region unter internationaler Vermittlung. Sie betonen, dass die serbische Verfassung nicht die Grundlage für eine Festlegung des Status sein wird. Skender Hyseini, Pressesprecher der Verhandlungsgruppe des Kosovo, sagte der Deutschen Welle: "Kosovo hat sich auf einen Weg zur Lösung begeben, ohne Rückkehr in die Vergangenheit. Dieser Weg wird bis zum Ende des Jahres zu einer Statuslösung führen."

"Juristisch irrelevanter Akt"

Arsim Bajrami, ein Verfassungsexperte, sieht den Vorstoß des serbischen Parlaments zunächst als einen Versuch, gegenüber der serbischen Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit zu beweisen angesichts der näher rückenden Lösung der Statusfrage. "Die Tatsache, dass die Parlamentarier verlangen, dass Kosovo in der Verfassung als Teil Serbiens definiert wird, zeigt eine gewisse Demagogie, denn Serbien ist ja selbst Teil der Verhandlungen. Nun haben sie in den Verhandlungsprozess interveniert, indem sie postulieren, dass eine Unabhängigkeit des Kosovo nicht Ergebnis der Verhandlungen sein kann. Aus juristischer Sicht ist dieser Akt völlig irrelevant und verpflichtet uns aus dem Kosovo zu gar nichts."

Die Serben des Kosovo argumentieren hingegen, dass die neue Verfassung ein starkes Argument im Verhandlungsprozess sein wird. Der Vorsitzende der Serbischen Liste für Kosovo, Oliver Ivanovic, sagte, die neue Verfassung legitimiere die territoriale Integrität Serbiens. Er geht davon aus, dass die neue Verfassung in den Verhandlungen berücksichtigt wird.

Marina Maksimovic, Belgrad, Bekim Shehu, Pristina
DW-RADIO/Serbisch, DW-RADIO/Albanisch, 12.9.2006, Fokus Ost-Südost