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KP für linientreue Unternehmen

Matthias von Hein4. August 2012

Chinas Industriepolitik wird von der Partei vorgegeben, daran dürfte auch die neue Führung festhalten. Ein Ziel ist dabei die Nutzbarmachung ausländischen Know-hows - auf welchem Weg, spielt eine untergeordnete Rolle.

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Fahrrad vor Hochgeschwindigkeitszug in Shanghai (Photo: Niu Yixin/ChinaFotoPress)
Bild: picture-alliance/dpa

Rund 70 chinesische Firmen schafften es 2011 auf die "Fortune 500"-Liste der weltgrößten Unternehmen. Drei waren sogar unter den zehn größten zu finden. Es gehört zu den Besonderheiten des "Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken", dass die großen Unternehmen sehr eng mit der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) verflochten sind und eine wichtige Rolle bei der Umsetzung politischer Ziele spielen. So werden die Führungspositionen der staatlichen Industriegiganten von der mächtigen Organisationsabteilung der KPCh besetzt.

"Die Vorstände der großen Unternehmen haben Ministerrang", erläutert Doris Fischer im DW-Interview. Sie hat an der Universität Würzburg den Lehrstuhl für die Wirtschaft Chinas inne. Ingesamt würden gut ein Drittel aller Führungspositionen in den Staatsbetrieben direkt von der Partei besetzt. Zusätzlich sitzen die Chefs der größten Unternehmen im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei mit derzeit 204 Mitgliedern.

Premier Wen Jiabao und Staats- und Parteichef Hu Jintao beim Neujahrsfest (Foto: AP)
Für die KPCh-Führung (links Premier Wen Jiabao, rechts Staats- und Parteichef Hu Jintao) steht das Primat der Partei nicht zur Debatte, auch in der WirtschaftBild: AP

Manager an der Leine der Partei

Auch nach dem Verlassen der Staatsbetriebe wird die weitere Karriere der Spitzenmanager von der Organisationsabteilung bestimmt. Die Partei stellt somit sicher, dass die Manager ihre Unternehmensentscheidungen nicht gegen die Partei treffen, so das Fazit einer Studie für den US-Kongress vom Oktober 2011. Cole Kyle, einer der beiden Autoren der Studie, betonte gegenüber der DW im Interview: "Es ist nicht mehr wie zu Zeiten der Planwirtschaft, und natürlich kümmert sich die Partei nicht um jede einzelne Entscheidung. Aber wenn es sich um etwas dreht, das strategisch ist oder wichtig für die Partei oder das Land, dann müssen sie der Parteilinie folgen und nicht dem, was für das Unternehmen am besten ist."

In der US-Studie heißt es: "Staatseigene Betriebe sind grundsätzlich ein wichtiges Werkzeug für die Regierungspolitik. Die Regierung nutzt Staatsunternehmen, um strukturelle Veränderungen in der chinesischen Wirtschaft umzusetzen, um Technologie von ausländischen Formen zu erlangen und um sich Rohstoffquellen außerhalb der Grenzen Chinas zu sichern."

Förderplattform des kanadischen Konzerns Nexen in der Nordsee. (Foto: Reuters)
Förderplattform des kanadischen Konzerns Nexen in der Nordsee. Chinas Petrokonzern CNOOC will den kanadischen Ölmulti übernehmenBild: Reuters

Technologie "aufsaugen und neu erfinden"

Stichwort Technologie: Chinas "Nationale Entwicklungs- und Reformkommission" NDRC entwickelt präzise Pläne, welche Technologien importiert und entwickelt werden müssen. Nachzulesen sind sie im "Nationalen mittel- und langfristigen Plan für die Entwicklung von Wissenschaft und Technik". Im Abschnitt acht sind "einige wichtige politische Taktiken und Maßnahmen" aufgelistet. Eine der "Taktiken" lautet unter Punkt zwei: "Die Aufnahme importierter Technologie verstärken, sie einsaugen und neu erfinden".

Was das praktisch bedeutet, schildert die US-Studie am Beispiel chinesischer Hochgeschwindigkeitszüge: Demnach hatte das chinesische Eisenbahnministerium im Jahr 2004 Angebote für etwa 200 Hochgeschwindigkeitszüge eingeholt. Den größten Teil der Ausschreibung gewann Kawasaki als Führer eines japanischen Konsortiums. Nachdem die vereinbarten 60 Züge im Rahmen eines Joint ventures mit CRS Sifang in der ostchinesischen Provinz Shandong geliefert wurden, beendete China den Kontakt mit Kawasaki. Die Fabrik produziert aber weiterhin, etwa 200 Hochgeschwindigkeitszüge pro Jahr. Sie gleichen den japanischen wie ein Ei dem anderen.

Gegenüber der "Financial Times" sagte der stellvertretende Chef-Ingenieur Luo Bin im Jahr 2010: Die äußere Form möge die gleiche sein, aber die Technik im Innern sei grundverschieden. Zugleich gab er zu Protokoll, CSR habe innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der Zusammenarbeit mit Kawasaki die zugrundeliegende Technologie vollständig "verarbeitet".

Technologietransfer kennt viele Wege

Ähnliche Vorgänge sorgen derzeit beim deutschen VW-Konzern für Ärger, wie die Zeitung "Handelsblatt" berichtete. Nachdem VWs chinesischer Produktionspartner FAW bereits 2010 den Motor für die Modelle Polo und Golf nachgebaut hatte, wurde vor kurzem bekannt, dass der Partner sich auch das Know-how für den Nachbau des Getriebes beschafft hat. Der Technologieklau soll einem für den russischen Markt konzipierten chinesischen Kleinwagen zugute kommen.

VW-Schild an Autohaus in Shanghai (Foto: dpa)
VW braucht den chinesischen Markt. China bedient sich dafür beim Know-how des deutschen AutobauersBild: picture-alliance/dpa

Wirtschaftsexpertin Doris Fischer analysiert die Vorgehensweise der chinesischen Seite so: "Die Erfolgsgrundlage des chinesischen Wirtschaftsmodells ist die Kostenführerschaft. Man hat über die Preise Einfluss auf den Weltmarkt bekommen, aber nicht über die Technologieführerschaft." Das, so die Würzburger Professorin, ärgere manche in der Führungsschicht - auch aus nationalistischen Gefühlen heraus. Deshalb setze man jetzt auf sogenannte "indigene Innovation". Die beinhaltet nach Aussagen Fischers auch, "dass man gnadenlos ausländische Unternehmen zwingen darf, in China Forschung und Entwicklung zu betreiben." Denn letzteres ist ebenfalls ein Weg, um ausländische Technologie "einzusaugen".