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Krankheiten in einer globalisierten Welt

Heinrich Bergstresser7. April 2004

Der diesjährige Weltgesundheitstag (7.4.2004) der WHO widmet sich dem Thema Autoverkehr. Die wirklichen Gesundheitsprobleme auf unserem Globus liegen aber ganz woanders, schreibt Heinrich Bergstresser.

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Gesundheit und Krankheit gehören zusammen wie Leben und Tod. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar, beides ist fester Bestandteil der belebten Welt. Aber die Evolution hat Mechanismen entwickelt, sich gegen Krankheiten zu wappnen, sich wehren zu können. Und der Mensch, dieses evolutionsgeschichtlich so junge Wesen, hat die vorhanden Mechanismen zur Bekämpfung von Krankheiten systematisiert und bewusst weiterentwickelt. Eine grandiose Leistung, die in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich ausgeprägt war und überall in die gleiche Richtung wies: das Leben lebenswerter zu machen, was weitgehend automatisch auch zu einer Verlängerung des Lebens führte. Aber dieses Privileg blieb auch in historischen Zeiten einer kleinen Oberschicht vorbehalten, und die große Masse der Menschheit konnte von den Fortschritten nur Millimeter weise profitieren.

Der seit 500 Jahren anhaltende Globalisierungsprozess hat die Welt von Grund auf verändert, hat sie in einen geographisch kleinen, aber extrem reichen und einen großen, aber extrem armen Teil aufgespalten, mit direkten Folgen nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für das Gesundheitswesen, das so viel Bedeutung besitzt, um ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Beide Teile - Armut und Reichtum - bilden die zwei Seiten der Medaille der Globalisierung, trennen die Menschheit und führen sie zugleich ständig zusammen. Und eines wird immer deutlicher: die extremen Widersprüche, die sich so plastisch an den Wohlstands- und Armutskrankheiten in der Welt darstellen lassen, zerstören Mensch und Natur. Die Überernährung in den Industriestaaten und die Unterernährung in weiten Teilen der Welt bewirken im Endeffekt das Gleiche: den Raubbau an Körper und Geist, an der Schöpfung schlechthin. Denn nur mit einem gigantischen Aufwand an finanziellen und technischen Ressourcen sind die Wohlstands- oder auch Zivilisationskrankheiten noch beherrschbar. So kreiert die wohlgenährte erste Welt immer neue Anti-Aging Mittel, und die sogenannte dritte Welt kämpft ums nackte Überleben. Beides hat nichts mit einem menschenwürdigen Dasein zu tun, das Respekt vor der Natur zeigt.

Aber dieser Aufwand muss erarbeitet, erwirtschaftet werden. Und ein Großteil dieser benötigten Ressourcen stammt aus den ärmsten, aber Rohstoff reichen Regionen der Welt, die am meisten leiden. Denn zusätzlich zwingen Armutskrankheiten den Menschen dort dazu, um das schiere Überleben wegen, sich an den vorhandenen natürlichen Ressourcen schadlos zu halten. Hier schließt sich der Teufelkreis von Armut- und Wohlstandskrankheiten, der durchbrochen werden muss, will die Menschheit nicht am Überfluss und gleichzeitigem Mangel zugrunde gehen. Denn beides führt letztlich zu unheilbaren Krankheiten, denen die Menschheit dann nicht mehr viel mehr entgegen zu setzen hätte.

Ein gesundes Maß an Bescheidenheit ist unabdingbar, "Gesundheit" als Wert an sich neu zu erfinden. Dazu aber bedarf es mehr als Medikamente, nämlich weltweite soziale Gerechtigkeit, erträgliche Wohnverhältnisse, Bildung, stabile Ökosysteme und vielleicht das Wichtigste - Frieden.