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Kreativer Kopf: Roger Willemsen ist tot

Heike Mund8. Februar 2016

Das Publikum liebte ihn als unterhaltsamen Moderator von Talkshows. Roger Willemsen schrieb Bestseller, liebte Fußball und gehörte zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen. Mit nur 60 Jahren ist er gestorben.

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Roger Willemsen Publizist und Autor
Bild: Getty Images/AFP/J. Eisele

Kurz nach seinem 60. Geburtstag im August 2015 erfuhr Willemsen von seiner Krebserkrankung. Alle Termine und Verpflichtungen sagte der sonst vielbeschäftigte Publizist daraufhin ab. Das betraf auch das diesjährige Literaturfestival litcologne, wo er mit seinem Wortwitz als Moderator der großen Eröffnungs-Gala in den vergangenen Jahren für Sternstunden der Unterhaltungskunst gesorgt hatte. Jetzt ist Roger Willemsen an den Folgen dieser Krebserkrankung in seinem Haus bei Hamburg gestorben, wie der Verlag S. Fischer dem "Spiegel" bestätigte.

Neben seiner Arbeit als erfolgreicher TV-Moderator ("Willemsens Woche"/ZDF) und Essayist für die Feuilletons der großen Zeitungen ging Roger Willemsen viel auf Reisen. Den Horizont erweitern, neue Kulturen kennenlernen, die eigene, beengt europäische Sichtweise immer wieder in Frage stellen – das war ihm wichtig. Mit seinen Reisebüchern kam er auf die deutschen Bestsellerlisten. Auch sein letztes, sehr persönliches Buch über das Parlament der Bundesrepublik Deutschland ("Das Hohe Haus") landete 2014 auf den vordersten Plätzen der Büchercharts.

Feinsinniger Nachdenker

Geboren wurde Roger Willemsen am 15. August 1955 in Bonn, im Sternkreis-Zeichen des Löwen. Sein Vater war Kunsthistoriker und Restaurator, die Mutter Sachverständige für Ostasiatische Kunst. Nach erster Studienzeit in Bonn trieb es ihn in die Welt: Florenz, München und Wien sind die Stationen, die ihm ganz neue Kultureindrücke vermitteln. Neben dem Studium jobbte er immer wieder als Nachtwächter, Reiseleiter und Museumswärter. Er liebte das stille Beobachten seiner Zeitgenossen.

1984 promoviert Willemsen dann in Philosophie. Die nachfolgend geplante Habilitationsschrift über "Selbstmord in der Literatur" gab er allerdings auf. Er arbeitete lieber als freier Übersetzer und Autor. 1988 ging er für drei Jahre als Kulturkorrespondent nach London, übersetzte dort unter anderem Umberto Eco und Thomas Moore.

Steile Fernsehkarriere

1991 engagierte ihn der Hamburger Pay-TV-Sender "Premiere" als Moderator für das Interview-Magazin "0137", das nach der Telefonvorwahl benannt war, unter der sich die Fernsehzuschauer an der Live-Sendung beteiligen konnten. Der talentierte Kulturjournalist konnte über alle Themen plaudern, vom Boulevard bis zur harten Politik. "Talk ohne Tabu" titelten die deutschen Zeitungen über ihn: der Beginn seiner TV-Karriere.

Deutschland Roger Willemsen
Karriere mit kreativer Lässigkeit: TV-Moderator Willemsen in jungen Jahren schon mit eigener ShowBild: picture-alliance/dpa/S. Hesse

Seine prominente Gästeliste reichte von der Hollywood-Schauspielerin Audrey Hepburn bis zu Palästinenserführer Jassir Arafat. Sein Anspruch "genau zu sein" und seine unverwechselbare Gesprächsführung machten Willemsen schnell zu einem der bekanntesten Talkmaster des Deutschen Fernsehens. Preise und ehrenvolle Auszeichnungen folgten: 1993 erhielt er den Grimme-Preis in Gold.

Der Wechsel zum öffentlich-rechtlichen ZDF brachte ihn dann 1994 nochmal in eine andere TV-Liga. Er bekam eine eigene Sendung und stieg mit dem Talkformat "Willemsens Woche" in den Olymp der wichtigsten deutschen Meinungsmacher auf. Die renommierte FAZ attestierte ihm "intelligente, wenn nicht gar intellektuelle Unterhaltung".

Roger Willemsen
Konnte auch spitzfindig disputieren: der Intellektuelle Roger Willemsen in AktionBild: Getty Images/R. Juergens

Künstlerisches Multi-Talent

Aber Roger Willemsen gab sich nicht mit dem schnellen Erfolg der Talksendungen zufrieden. Seit 1993 produzierte er auch eigene TV-Dokumentationen, Interviews, Portraits und engagierte Themenabende. In der ZDF-Reihe "Willemsens Zeitgenossen" hatte er Prominente wie die Vivienne Westwood, die Schauspieler Michel Piccoli und John Malkovich, den Musiker und Produzenten Quincy Jones jr. und Stardesigner Philippe Starck zu Gast.

Auch als vielgefragter Kolumnist etwa für die Wochenzeitung "Die Zeit" machte sich der feinsinnige Willemsen einen Namen, schrieb Bücher, Artikel, Essays und führte immer wieder Gespräche mit den interessantesten Menschen. Auf der Expo 2000 bespielte er als kreativer Kopf den Deutschen Pavillon mit einer zehnstündigen Videoinstallation: "Welcome Home. Künstler sehen Deutschland." Heute wäre das vielleicht Kult.

Mehr als 50 Bücher hat der Autor Roger Willemsen der Nachwelt hinterlassen, darunter viele Reiseberichte in die entlegendsten Gegenden der Welt. Er hat sich immer als Weltbürger verstanden.

Köln Gala Herzenssachen
So liebte ihn das Publikum: als unterhaltsamen Entertainer, hier 2012 bei der Kölner Gala "Herzenssachen"Bild: DW

Abschied vom Fernsehen

Im Oktober 2001 kündigte der TV-Star überraschend seinen endgültigen Abschied vom Bildschirm an. Aber die selbstverordnete Abstinenz hielt er nicht lange durch: zusammen mit Elke Heidenreich und Daniel Cohn-Bendit moderierte er im Schweizer Fernsehen doch nochmal - mit sichtbarem Vergnügen an der geschliffenen Formulierung - den "Literaturclub" (3sat).

Auch die Bühne ließ ihn nicht los. Zusammen mit dem "Altmeister der gezielten Pointe" Dieter Hildebrandt entwickelte Roger Willemsen 2005 das sehr erfolgreiche Kabarettprogramm "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! Die Weltgeschichte der Lüge". Beide gingen damit lange auf Tournee.

Eine Honorarprofessur an der Berliner Humboldt-Universität gab ihm 2010 einen ehrenvollen Abschluss seiner beispiellosen Karriere. 2015 war für ihn ein Wendepunkt: Mit Anke Engelke widmete er sich nochmal auf unglaublich humorvolle Weise für ein Hörbuch der "Wunderbaren Welt der Kontaktanzeigen". Neben seiner Leidenschaft für Sprache, Literatur und Reisen war Fussball eines seiner Herzens-Themen. Roger Willemsen starb am 7. Februar 2016 in seinem Haus in der Nähe von Hamburg. Seine Krebserkrankung konnte er nicht mehr besiegen.