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Kredit verspielt

Matthias von Hein14. März 2005

Chinas Nationaler Volkskongress hat das gegen Taiwan gerichtete Anti-Abspaltungsgesetz verabschiedet. Mit dem unnötigen Gesetz vergiftet China das politische Klima, meint Matthias von Hein.

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Überraschend war es nicht, dass der Nationale Volkskongress am Montag (14.3.2005) das so genannte Anti-Abspaltungsgesetz hat passieren lassen. Schließlich hat das chinesische Parlament in seiner 50-jährigen Geschichte noch nie einen Gesetzesentwurf abgelehnt. Lediglich zwei der knapp 3000 Delegierten hatten den Mut, bei der Abstimmung am Ende der jährlichen Sitzung auf den Enthaltungsknopf zu drücken.

Das Gesetz belastet das politische Klima an einem der gefährlichsten Brennpunkte Ostasiens. Dahinter stecken vor allem innenpolitische Gründe: Angesichts des inzwischen in China praktizierten brutalen Manchester-Kapitalismus ist der Kommunistischen Partei die Legitimation ihrer Herrschaft abhanden gekommen. Also stilisiert sich die Partei zum "Wahrer der Einheit des Landes". Das jetzt beschlossene Anti-Abspaltungsgesetz dient da als zentraler Mosaikstein - auch wenn es eigentlich gar nicht benötigt wird.

Schon in der Präambel zur Verfassung ist die Pflicht zur Wiedervereinigung mit der seit 1949 vom Festland getrennten Insel Taiwan verankert. Und in den vergangenen sechs Jahren hat es Peking nicht an martialischen Warnungen an die Adresse Taipehs fehlen lassen für den Fall der formellen Unabhängigkeitserklärung. Doch diese Warnungen waren stets mündlich erfolgt. Jetzt ist die unverhohlene Angriffsdrohung in Gesetzesform gegossen und vergiftet das politische Klima. Vergessen sind die ersten Direktflüge zwischen dem Festland und Taiwan zum Frühlingsfest.

Anders als von Peking vielleicht erhofft, reagiert die taiwanesische Führung bislang nicht mit Unterwürfigkeit, sondern mit Trotz. Eine Million Demonstranten will sie am 26. März zusammenbringen, um gegen das Anti-Abspaltungsgesetz zu protestieren. Und Taiwans Premierminister Frank Xie denkt unter dem Motto "Jetzt erst recht" laut darüber nach, die Verfassung zu ändern. Das aber wäre nach Pekinger Lesart bereits Anlass für einen Krieg. Ein Krieg, in dem sich nach einem Eingreifen von Taiwans Schutzmacht USA zwei Atommächte gegenüberstünden. Ein Krieg, der ganz Ostasien aus der Bahn werfen würde. Und ein Krieg, den im Grunde niemand will. Denn der Status Quo mit dem ungeklärten Status Taiwans bringt zwar für Peking wie Taipeh Unbequemlichkeiten mit sich. Er erlaubt aber einen regen Wirtschaftsaustausch, von dem beide Seiten profitieren.

Peking hat sich mit seinem Anti-Abspaltungsgesetz vielleicht im Inland Luft verschafft, im Ausland aber Kredit verspielt. Japan wird sich bestätigt fühlen in seiner Haltung, China vor allem als Bedrohung wahrzunehmen. Europa wird zweimal darüber nachdenken, das Waffenembargo gegen China aufzuheben. Und in den USA werden jene Kräfte Aufwind bekommen, die China schon immer als strategischen Widersacher eindämmen wollten. Die Zeiten werden schwer werden für die Befürworter von Dialog und friedlicher Konfliktlösung.