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Entsetzen über Odessa

3. Mai 2014

Bestürzt blickt die Welt auf die Gewalteskalation in Odessa. Außenminister Steinmeier appelliert an die politischen Verantwortlichen, endlich aufeinander zuzugehen. Der Kreml schiebt die Schuld Kiew und dem Westen zu.

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Schutt in Odessa am Tag nach der Brandkatastrophe (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Die Tragödie von Odessa muss ein Weckruf sein! Gewalt löst nur Gegenwalt aus", erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin. Steinmeier sprach den Angehörigen der Opfer gleichzeitig seine Anteilnahme und sein tief empfundes Mitgefühl aus. Er sei bestürzt über "den qualvollen Tod so vieler Menschen".

Wenn dem jetzt nicht Einhalt geboten werde, könne der Moment kommen, an dem sich alles nicht mehr stoppen lasse. Die beteiligten Parteien düften "nicht noch mehr Öl ins Feuer" gießen. "Das fängt schon bei der Wahl der Worte an: Martialische Kriegsrhetorik macht alles nur noch schlimmer."

Kreml: Kiew bis zum Ellbogen in Blut

Während der dramatischen Ereignisse in Odessa hatten ukrainische Medien euphorisch und triumphierend über die "zurückgeschlagenen Separatisten" im Osten des Landes berichtet. "Patrioten" seien erfolgreich dabei, sie "auszuräuchern".

Angesichts der Eskalation der Gewalt in der südukrainischen Stadt hat Moskau daher erneut die ukrainische Übergangsregierung und den Westen mit deutlichen Worten dafür verantwortlich gemacht. "Die Hände der Führung in Kiew stecken bis zum Ellbogen in Blut", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge in Moskau. Die Agentur RIA Novosti zitierte Peskow mit den Worten: "Kiew und seine Unterstützer im Westen haben praktisch das Blutvergießen provoziert und tragen die direkte Verantwortung dafür."

Welche Rolle Russland in dem Aufruhr spielt, ist weiter fraglich. Kiew und die westlichen Staaten werfen Moskau vor, die Aktionen zu steuern und mit eigenen Spezialkräften zu unterstützen, um wie auf der ukrainischen Halbinsel Krim die Abspaltung der Region vorzubereiten. Präsident Wladimir Putin gab zwar inzwischen zu, dass auf der Krim russische Soldaten im Einsatz waren, doch beharrt Moskau weiter darauf, dass dies im Osten der Ukraine nicht der Fall sei. Unterdessen gab Kremlsprecher Peskow indirekt zu, Russland hätte Einfluss auf die prorussischen Separatisten gehabt. Diesen hätte man aber nun "verloren". Sein Land könne die Situation dort nicht allein klären.

Kiew: Unruhen aus dem Ausland organisiert

Der ukrainische Geheimdienst SBU berichtet über Informationen, wonach die Führung des Landes verantwortlich sein soll für die Eskalation in Odessa. "Die Provokationen, die zu den Unruhen führten, wurden von ehemaligen Beamten der Regierung Janukowitsch finanziert", sagte SBU-Mitarbeiterin Jekaterina Kossarewa. Beweise lieferte der Geheimdienst aber nicht.

Die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko machte Russland für die Krise verantwortlich. Moskau versuche einen Keil zwischen die Bevölkerung zu treiben, sagte Timoschenko bei einem Besuch in Odessa. Die Zusammenstöße in der Schwarzmeerstadt seien vom russischen Geheimdienst organisiert worden. "Russland versucht mit allen Mitteln, die Ukraine zu destabilisieren und die Präsidentenwahl am 25. Mai zu verhindern", sagte Timoschenko, die bei der Abstimmung kandidiert.

Zusammenstöße in Odessa (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Eskalation in Odessa

In der strategisch wichtigen Hafenmetropole Odessa am Schwarzen Meer war nach Protesten ein Gewerkschaftsgebäude in Flammen aufgegangen. Die Behörden sprachen von mindestens 42 Toten. Die genaue Brandursache steht noch nicht fest. Jedoch sollen Augenzeugenberichten zufolge Molotow-Cocktails auf das von prorussischen Separatisten besetzte Haus geworfen worden sein. Zuvor lieferten sich Demonstranten, die mit ukrainischen Fahnen durch die Straßen Odessas marschierten, Kämpfe mit prorussischen Aktivisten.

Viele der Protestteilnehmer sollen Anhänger des örtlichen Fußballklubs gewesen sein und zur stark nationalistisch geprägten Fanszene gehören, berichteten Medien. Beide Seiten seien bewaffnet gewesen, als es zu den Ausschreitungen kam, teilte der Reporter der britischen Zeitung "Guardian", Howard Amos, über den Kurnachrichtendienst Twitter mit. Sie sollen "Baseballschläger, Steine, selbstgemachte Granaten und Gaspistolen sowie Molotow-Cocktails" bei sich getragen haben.

Angaben des ukrainischen Innenministeriums zufolge sind mindestens vier Menschen getötet und 200 bei den Straßenschlachten verletzt worden. Die Polizei hat mehr als 130 Menschen verhaftet. Ihnen drohten nun Anklagen wegen Beteiligung am Aufruhr bis hin zu vorsätzlichem Mord, sagte der örtliche Polizeichef Petro Luziuk. Die Behörden haben eine dreitägige Trauer verhängt.



Etwa 500 Kilometer weiter östlich von Odessa in der Stadt Kramatorsk ist es zu schweren Kämpfen zwischen ukrainischen Sicherheitskröften und pro-russischen Separatisten gekommen, wie die Übergangsregierung in Kiew mitteilte.

In den frühen Morgenstunden setzte sie ihren Militäreinsatz gegen die Aufständischen fort. "Wir werden nicht nachlassen", erklärte Innenminister Arsen Awakow auf seiner Facebook-Seite. Ihm zufolge haben die Truppen nahe der Stadt Kramatorsk einen Fernsehturm zurückerobern können.

Der so genannte Anti-Terror-Einsatz Kiews läuft seit Freitagmorgen rund um die benachbarte Rebellenhochburg Slowjansk. Dort sind zwei ukrainische Militärhubschrauber abgeschossen worden, zwei Soldaten starben. Auch unter den prorussischen Aufständischen soll es Tote gegeben haben.

nis/ml (afp, rtr, dpa, ape)