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Wahlkampf in Russland

17. November 2011

Gummigesichter von Putin und Medwedew sollen den Sieg bringen. Kurz vor der Parlamentswahl im Dezember reagiert die Kreml-Partei "Einiges Russland" mit ungewöhnlichen Methoden auf sinkende Umfragewerte.

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'Medwedew Girls' bei Treffen des Präsidenten mit Bloggern am 9. November 2011 (Foto: AP/dapd)
"Medwedew Girls" bei Treffen des Präsidenten mit Bloggern am 9. November 2011Bild: dapd

Auf einer Freilichtbühne mitten in der Stadt tanzen rund drei Dutzend junge Männer und Frauen in schwarzen Hosen, weißen Hemden, roten und blauen Krawatten zu den Klängen russischer Popmusik. Nichts Ungewöhnliches, wenn da nicht die Masken auf ihren Köpfen wären: Es sind Gummigesichter des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und des Regierungschefs Wladimir Putin. So wurde Anfang November im fernöstlichen Chabarowsk der Tag der nationalen Einheit gefeiert. "Ein unerwarteter Flashmob", ein scheinbar spontaner Menschenauflauf sei es gewesen, heißt es dazu auf der Internetseite der regionalen Vertretung der Kreml-Partei "Einiges Russland".

Politikferne Jugend

Das lustig bis skurril wirkende Hüpfen der "Putins" und "Medwedews" auf einer Provinzbühne markierte den Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs in Russland. Am 4. Dezember wird ein neues Parlament, die Staatsduma gewählt. Die regierende Partei "Einiges Russland" gilt zwar als großer Favorit, doch die von ihr angestrebte Zweidrittelmehrheit scheint nicht mehr sicher. Umfragen registrieren einen Absturz in der Wählergunst. Nur 51 Prozent der Russen wollen bei der Dumawahl für "Einiges Russland" stimmen, so die Umfrage des unabhängigen russischen Meinungsforschungsinstituts Lewada. Anfang des Jahres waren es noch 60 Prozent derer, die sich bereits entschieden hatten.

Andrej Busin von der Assoziation 'Golos' (Foto: DW)
Andrej Busin von der Assoziation "Golos"Bild: DW/Sergej Morozow

Auftritte wie in Chabarowsk sollen vor allem junge Wähler ansprechen, sagt Andrej Busin, Experte der unabhängigen Assoziation zum Schutz der Wähler, "Golos" (Stimme). Das Ziel sei es, einen Teil der sonst eher Kreml-skeptischen Jugend dazu zu bringen, doch für "Einiges Russland" zu stimmen. Busin glaubt aber nicht, dass solche "Wahlkampftechnologien" aufgehen. In der Tat bleibt Russlands Jugend der Politik meistens fern. Mehr als 60 Prozent zeigen laut einer Studie des russischen „Fonds für die öffentliche Meinung“ (FOM) kein Interesse dafür. Das gilt besonders für die 18- bis 29-Jährigen.

Spott auf Youtube

Das gleichgeschaltete Fernsehen könne die Situation wohl kaum ändern, meinen Experten. Deshalb versucht die Kreml-Partei, mehr Werbung im Internet zu platzieren. Der Clip der tanzenden "Medwedews" und "Putins" wurde schnell bei der Videoplattform Youtube hochgeladen. Allerdings mit mäßigem Erfolg: Nur knapp 8000 User haben sich das Video aus Chabarowsk angeschaut. Die meisten Kommentare sind spöttisch, viele sprechen von einer "Schande".

Medwedew und Putin als Touristensouvenir (Foto: dpa)
Medwedew und Putin als TouristensouvenirBild: picture-alliance/ dpa

Das ist nicht die einzige Aktion, mit der "Einiges Russland" bei den jüngeren Wählern punkten will. Der Präsident und Spitzenkandidat der Kreml-Partei bei der Dumawahl Medwedew traf sich neulich mit ausgewählten Bloggern.

Primitiv, aber lustig

Russlands Jugend reagiert darauf gemischt. Das alles sei eine Reaktion auf eine Welle der Kritik im Web, die "Einiges Russland" mit aller Wucht getroffen habe, meint Artjom Loskutow. Der 24-jährige Filmemacher und Blogger aus Nowosibirsk nimmt am Deutsche Welle Projekt "Generation 2012" teil. Ob Flashmob in Chabarowsk oder Medwedews Treffen mit Bloggern – das scheint für ihn "unecht" und "primitiv" zu sein. "Doch auch wenn solche Aktionen qualitätsmäßig besser werden sollten, werde es "Einiges Russland" kaum schaffen, das Internet-Publikum auf seine Seite zu ziehen", schreibt Loskutow im DW-Blog (http://blogs.dw-world.de/p2012/.). "Das Publikum im Internet ist viel kritischer als das, das vor dem Fernseher hockt. Es gibt im Internet sehr viele Informationen, die Fernsehzuschauern unzugänglich sind. Auch gibt es deutlich weniger Zensur, kaum verbotene Themen und mehr Demokratie".

Eine junge Russin mit Laptop (Foto: DW)
Russische Jugend surft lieber im Internet statt fern zu sehenBild: DW/Olga Sosnytska

Aber nicht alle Internetaktivisten reagieren kritisch auf die ungewöhnlichen Methoden des Kreml. Ein anderer DW-Blogger, der 24-jährige Student Alexander Gusew aus Rschew bei Moskau findet die Aktion der Kreml-Partei in Chabarowsk lustig. "Ich glaube, dass der Flashmob interessant war. Allein schon deshalb, weil die Aktion für ein junges Publikum bestimmt war", schreibt Gusew. "Unser Regierungstandem hat gezeigt, dass es sich selbst mit Humor sieht". Damit könne man die Jugend "sehr gut ansprechen".

Buhrufe auf Rockkonzert

Wenn es um die Jugend geht, muss allerdings nicht alles digital sein, denken wohl die Kreml-Strategen. Seit Monaten sorgen selbst ernannte "Medwedew-Girls" und Mädchen aus der "Putin Armee" in Russland für Schlagzeilen. Knapp bekleidete junge Russinnen machen Werbung für das Führungsduo. Das will bald die Plätze tauschen: Medwedew soll Regierungschef werden und Putin will nach der Präsidentenwahl im März 2012 zurück in den Kreml.

Doch manchmal gehen Wahlaktionen auch in die Hose. Anfang November wurde ein Konzert der legendären russischen Rockband "Maschina wremeni" von einem Skandal überschattet. Der Moderator hat auf der Bühne versucht, für "Einiges Russland" zu werben. Und erntete nur Buhrufe.

Autor: Roman Goncharenko

Redaktion: Bernd Johann