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TerrorismusDeutschland

Krieg in Nahost bedroht Sicherheit in Deutschland

29. November 2023

Innenministerium und Verfassungsschutz sind sich einig: Die Terror-Gefahr ist angesichts des Nahost-Konflikts gestiegen. Islamisten stehen besonders im Fokus, aber auch andere radikale Gruppen.

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Polizisten beobachten eine größere protestierende, pro-palästinensische Menschenmenge auf einer Versammlung in Berlin. Es ist dunkel und zahlreiche Teilnehmer schwenken Fahnen und Plakate.
Pro-palästinensische Demonstrationen führen seit Beginn des Nahostkriegs immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei Bild: Annegret Hilse/REUTERS

Der Befund des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist so eindeutig wie alarmierend: Die Terroranschläge der Hamas in Israel vom 7. Oktober 2023 nehmen auch in Deutschland unterschiedliche extremistische Akteure zum Anlass, Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden zu propagieren und das Existenzrecht Israels abzulehnen.

Nun hat der deutsche Inlandsgeheimdienst seine erste Gefahren-Analyse nach dem Beginn des Krieges in Nahost vorgelegt. BfV-Präsident Thomas Haldenwang sieht einen potenziell explosiven Mix, der so noch nie zu beobachten war: "Wir sind aktuell durch parallele Krisen mit einer komplexen und angespannten Bedrohungslage konfrontiert, die durch die barbarischen Verbrechen der Hamas noch verstärkt wird."

Auch Innenministerin Nancy Faeser hat vor islamistischen Anschlägen in Deutschland gewarnt. Der Gaza-Krieg habe unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage, sagte Faeser.

Islamisten, Linksextremisten und Rechtsextremisten

Der Verfassungsschutz beobachtet Schnittmengen zwischen Gruppierungen, die sonst wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben: "Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit sind verbindende Elemente zwischen Islamisten, deutschen und türkischen Links- und Rechtsextremisten und Anhängern extremistischer palästinensischer Organisationen", fasst Thomas Haldenwang die Erkenntnisse seiner Fachleute zusammen.

Anti-israelische Demonstrationen in Deutschland

Das gemeinsame Feindbild Israel bringe zwischen einigen dieser Akteure alte, aber auch neue Verbindungen hervor. Diese könnten künftig zu einer stärkeren Zusammenarbeit führen, befürchtet der Verfassungsschutz. Deshalb geht Deutschland seit Beginn des Nahostkriegs verstärkt gegen anti-israelische und antisemitische Hetze vor – unter anderem mit Betätigungs- und Vereinsverboten. Davon betroffen sind unter anderem die Hamas selbst und das Netzwerk Samidoun

Fake News als Brandbeschleuniger

Die digitale Bilderflut in sozialen Medien, oft gepaart mit Fake News, trage zur Emotionalisierung bei und könne als Radikalisierungsfaktor fungieren, heißt es in der Analyse. Verschärft werde die Situation durch staatliche Akteure im Ausland, die diese Stimmungslage für sich auszunutzen oder zu verstärken suchten. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes decken sich mit Einschätzungen, die auf einer zweitägigen Konferenz des Bundeskriminalamtes (BKA) zu hören waren.   

Eine weitere Eskalation hält Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang für möglich: "Wir beobachten bereits seit längerem den erklärten Willen von Islamisten Anschläge im Westen zu verüben, und ich habe immer wieder betont, dass jeden Tag auch in Deutschland ein islamistischer Anschlag verübt werden kann."

Sorge um Sicherheit von Juden in Deutschland

Verfassungsschutz-Chef warnt vor Radikalisierung

Durch den Nahostkrieg zeichne sich eine neue Qualität ab: Man sehe im jihadistischen Spektrum Aufrufe zu Attentaten. "Dies kann zur Radikalisierung von allein handelnden Tätern führen, die 'weiche Ziele' mit einfachen Tatmitteln angreifen. Die Gefahr ist real und so hoch wie seit langem nicht mehr", betont Thomas Haldenwang.

Bislang ist es in Deutschland zu teilweise gewalttätigen Solidaritätskundgebungen mit dem palästinensischen Volk und anti-israelischen Parolen gekommen. In Berlin wurde Mitte Oktober zudem ein jüdisches Gemeindezentrum mit Brandsätzen beworfen. Auch in den sozialen Medien beobachtet der Verfassungsschutz zunehmenden Antisemitismus. Muslime und die Palästinenser werden dabei nach Angaben der Behörde vor allem als Opfer des Westens dargestellt. 

Hassbotschaften auf pro-palästinensischen Demos

Zugleich wird betont, dass es sich bei der Mehrheit der Teilnehmer auf pro-palästinensischen Demonstrationen nicht um Extremisten handele. Allerdings blieben Hassbotschaften unwidersprochen, was mitunter dazu führe, Versammlungen zu emotionalisieren, zu radikalisieren und zu eskalieren.

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, mit besorgtem Gesichtsausdruck.
Der Nahostkrieg zwischen Israel und der Terror-Organisation Hamas hält den von Thomas Haldenwang geleiteten Verfassungsschutz in Atem Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Derweil nutze die rechtsextremistische Szene in Deutschland den Nahostkrieg dafür, gegen Muslime und Migranten zu agitieren. Hingegen sei das linksextreme Lager gespalten: Die autonome Szene vertrete ganz überwiegend pro-israelische Positionen, das antiimperialistische und gewaltorientierte Milieu fast ausschließlich pro-palästinensische Positionen.

Verstärkter Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen

Die Sicherheitsbehörden seien mit allen Radikalisierungsfaktoren und möglichen Szenarien befasst, sagt Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, um potenzielle Planungen gegen die Sicherheit von Jüdinnen und Juden, israelischen Einrichtungen, aber auch von Großveranstaltungen zu durchkreuzen."

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland