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Krieg nach Absprache

Stefanie Suren12. September 2002

Nacheinander rief George Bush zuletzt die Präsidenten von Russland, China und Frankreich an: Wie würden sie sich zu einer Irak-Resolution im Sicherheitsrat stellen? Die Antworten fielen unterschiedlich aus.

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Diplomatie am DrahtBild: AP

Über das Procedere gibt es nichts zu diskutieren: Sollte der UN-Sicherheitsrat über eine weitere Irak-Resolution abstimmen, haben nur die fünf ständigen Mitglieder USA, Frankreich, Großbritannien, China und Russland Vetorecht. Noch ist aber vollkommen unklar, was eine Resolution beinhalten könnte. Der Forderung nach Rückkehr der Waffeninspekteure schließen sich alle an. Die Positionen zu einem Militärschlag gegen den Irak liegen jedoch weit auseinander. Großbritannien steht als einziges Mitglied des Sicherheitsrates in uneingeschränkter Loyalität zu den Plänen der USA. Eine mögliche Zustimmung der anderen ist an Bedingungen geknüpft; und nicht immer steht dabei das eigentlich Irak-Problem im Mittelpunkt.

Wirtschaftsinteressen und Freundschaftspflege

Putin und Bush mit Abrüstungsvertrag
Bild: AP

Für Russland ist der Irak ein wichtiger Handelspartner. Wenig überraschend teilte Präsident Wladimir Putin daher seinem Duzfreund Bush mit, dass er an der Notwendigkeit für militärische Gewalt gegen den Irak erhebliche Zweifel habe. Die UN-Resolutionen müssten zwar durchgesetzt werden, aber es gebe immer noch Potenzial für eine politische Lösung. Die russische Regierung lehnt in offiziellen Stellungnahmen bislang ein militärisches Vorgehen gegen den Irak also ab.

Dr. Alexander Rahr glaubt jedoch nicht an ein russisches Veto. "Die Russen werden sich enthalten", prognostiziert der Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die guten Beziehungen zu den USA seien für Putin fraglos wichtiger als der Irak, sagt Rahr. Zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg gebe es eine regelrechte Freundschaft zwischen den ehemaligen Feinden. Die USA setzten sich für die Aufnahme Russlands in die Welthandelsorganisation (WTO), für eine enge Zusammenarbeit im NATO-Russland-Rat und im Nahen Osten ein. "Ich glaube nicht, dass Russland das aufs Spiel setzen wird", sagt Rahr. "Es ist zwar demütigend für die Russen, aber Putin weiß, dass sie zu schwach sind, um sich Amerika zu widersetzen." An einem Alleingang der USA seien die Russen aber nicht interessiert. Rahr zufolge bevorzugen die Russen eine Entscheidung durch den Sicherheitsrat - schon allein um das Gewicht ihrer Stimme in der Weltpolitik nicht weiter zu mindern.

Ringen um Konzessionen

Georg W. Bush und Jiang Zemin in Shangai
Bild: AP

Chinas Außenminister Kong Quan erklärte, die chinesische Regierung missbillige die Anwendung von Gewalt gegen den Irak. Auch von Drohungen solle man absehen. Die offizielle Position der Chinesen lautet, dass die Irak-Resolutionen umgesetzt werden sollten, die territoriale Integrität des Irak aber auf jeden Fall gewahrt werden müsse. "Für China ist das oberste Gebot Nichteinmischung", erklärt Dr. Kay Möller, Asienexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Denn sie fürchten selbst Opfer von Einmischung zu werden. Gründe gibt es ja genug."

Gegen gewisse Konzessionen sei die chinesische Regierung aber sicher bereit, sich bei einer Abstimmung im Sicherheitsrat der Stimme zu enthalten, so Möller. Die USA müssten ihnen dafür etwa zugestehen, die Unterdrückung der Unabhängigkeitsbewegung der moslemischen Uiguren unter der Fahne des Kampfes gegen den Terrorismus zu akzeptieren. Ohne Zugeständnisse der USA neige sich die chinesische Unterstützung der Anti-Terror-Koalition in absehbarer Zeit dem Ende zu. Schon alleine aus handfesten strategischen Interessen Pekings: Schließlich haben die USA ihre Stellung in Zentralasien im Rahmen des "War Against Terror" gefestigt. Viele US-Militärstützpunkte liegen in der Nähe Chinas.

Letzte Sonderrolle

Bush und Chirac
Bild: AP

Aus Frankreich stammt der Vorschlag einer zweigeteilten UN-Resolution. Zunächst sollen die Waffeninspektoren in den Irak zurückkehren und nur wenn Hussein sich weiterhin unkooperativ verhalte, müsse man über eine militärische Intervention nachdenken. Frankreich sei im Fall der Fälle bereit, an einer entsprechenden Resolution mitzuarbeiten, so Chirac. "Wie die Franzosen sich dann entscheiden, hängt vom Charakter der Resolution ab", sagt Dr. Martin Koopmann, Leiter der Arbeitsstelle Frankreich der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Doch Frankreich ist selbst ein vom Terrorismus geprüftes Land und wird im Ernstfall eher bereit sein, militärische Mittel einzusetzen als Deutschland", so Koopmann. "Frankreich wird den USA gegenüber konstruktive Politik betreiben." Und natürlich spiele es eine Rolle, dass sich Frankreichs Rolle in der Weltpolitik seit 1989 verändert hat. Der Sitz im UN-Sicherheitsrat biete eine letzte Sonderrolle, deren Bedeutung man in Paris ungern geschmälert sehe.

Die meisten Experten sind sich aber nicht sicher, ob die USA sich durch ein "Nein" im Sicherheitsrat von einem Krieg gegen den Irak abhalten lassen würden. Auch diese mögliche Entwicklung werden Russland, China und Frankreich bei ihrem Stimmverhalten berücksichtigen.