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Krieg um Öl?

Ellen Schuster11. Februar 2003

Erinnerungen werden wach. Wie 1991 steht wohl ein Krieg gegen den Irak bevor. Und wie damals erheben sich die Stimmen derer, die den amerikanischen Kriegsherren eine unersättliche Gier nach Öl vorwerfen.

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Alle Macht geht vom Öl-Hahn ausBild: AP

"Der Charme der Ölkrieg-Theorie besteht darin, dass sie so einleuchtend wirkt", schreibt "Die Zeit". Und wahrlich: Die Beweislast scheint erdrückend. Der Irak sitzt nach konservativen Schätzungen auf 112 Milliarden Fass Rohöl - das sind die zweitgrößten Reserven der Welt. Zudem wurden diese Ölfelder bislang kaum ausgebeutet: Wegen der internationalen Sanktionen leidet die irakische Ölindustrie unter technologischem Rückstand und Kapitalmangel.

Auf der anderen Seite: Die Vereinigten Staaten. Schon jetzt verbraucht die US-Wirtschaft 25 Prozent der Welterdölförderung - Tendenz steigend. Ein großer Teil dieses Öls muss importiert werden, auch aus dem Nahen Osten. Dort aber sitzt mit Saudi Arabien ein unsicherer Kantonist. Schließlich kamen von dort die meisten der Attentäter des 11. September.

Zwei Fliegen mit einer Klappe?

Und so könnten die USA mit der Kontrolle über das irakische Öl gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum Einen könnte die eigene Ölversorgung über Jahrzehnte gesichert werden. Zum anderen würden sich die Amerikaner unabhängig von den saudischen Prinzen machen - und hätten dennoch die Kontrolle über den Nahen Osten. Eine nachvollziehbare Argumentation für einen Krieg um Öl. Doch der Berliner Politikwissenschaftler Friedemann Müller widerspricht:

"Einerseits haben die Amerikaner die totale Kontrolle über den Golf schon lange. Sie sind mit ihrer Marine dort konkurrenzlos. Andererseits ist das Öl, das der Irak produziert zur Zeit für die Versorgung der Weltwirtschaft gar nicht nötig - derzeit nicht. In fünf oder zehn Jahren wird es vielleicht benötigt - aber bis dahin rechnet man sowieso wieder mit einer Teilnahme des Irak am Ölgeschäft. Also, dafür einen Krieg vom Zaun zu brechen wäre ganz absurd."

Zudem, argumentiert Müller, wäre es für die amerikanische Ölwirtschaft sogar ungünstig, wenn bald billiges, irakisches Öl den Weltmarkt überschwemmte. Dann nämlich würde die inneramerikanische Ölproduktion bald zu kostenintensiv. Immerhin produziert ja Amerika fast die Hälfte seines Verbrauchs im Inland und das zu Kosten, die nicht so günstig sind wie etwa am Golf. Deshalb ist die Gefahr, dass der Preis wieder sinkt, wenn das Iraköl in großen Mengen auf den Weltmarkt kommt. Und das ist der größte Schrecken für amerikanische und britische Ölmultis."

Komplizierte geopolitische Gemengelage

Doch eben diese Multis sollen die irakischen Ölvorräte schon seit langem unter sich aufgeteilt haben - glaubt man den Verfechtern der "Krieg-um-Öl-Theorie". Sie verweisen auch auf die Nähe des amerikanischen Präsidenten und seiner engsten Mitarbeiter zur Öl-Industrie. Auch diese Theorie verwirft der Politologe Friedemann Müller. Er weist darauf hin, dass es Kapitalverflechtungen kreuz und quer, selbst mit russischen Ölfirmen gibt. Da hätten sich andere Spielregeln herausgebildet, die nicht an den nationalen Interessen orientiert sind.

Also doch kein Krieg um Öl? Nun, es wird wohl niemand behaupten, dass der Ölreichtum des Irak für einen möglichen Waffengang der Amerikaner bedeutungslos ist. Doch die amerikanischen Kriegspläne einzig und allein mit den Öl-Interessen des Landes erklären zu wollen, das wäre angesichts der komplizierten geopolitischen Gemengelage und der Vielzahl beteiligter Akteure zu kurz gegriffen.